Ausführliche Hintergründe zur “Rockeraffäre”

Kriminalbeamte erheben im Mai 2017 schwere Vorwürfe gegen das Schleswig-Holsteinische Landeskriminalamt. Dies ergab sich aus Unterlagen, die dem damaligen Landtagsabgeordneten Patrick Breyer (Piratenpartei) zugespielt worden sind. Wir dokumentieren hier noch einmal die Chronik von Patrick Breyer in leicht abgewandelter Form, die er auf seinem Blog unter einer Creative-Commons-Lizenz eingestellt hat. Nachem Breyer Europa-Abgeordneter wurde, hat er diese nicht mehr weitergeführt. Wir haben sie u.a. mithilfe der Medien-Seite von Kai Dolgner ergänzt.

Das Landeskriminalamt soll im Jahr 2010 eine entlastende Aussage zugunsten zwei Beschuldigter teilweise unterdrückt und die ermittelnden Beamte mit allen Mitteln daran gehindert haben, diese in der Verfahrensakte vollständig zu protokollieren und vor Gericht zu bezeugen. Der Leiter des Rechtsreferats der Polizeiabteilung des Innenministeriums soll das Strafgericht in die Irre geführt haben. Die hochverdienten Kriminalbeamten, die das nicht hinnehmen wollten, sind massiv unter Druck gesetzt und schließlich gegen ihren Willen umgesetzt worden. Einer von ihnen erstattete Strafanzeige und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Verantwortlichen – erfolglos. Landespolizeidirektor Ralf Höhs, der selbst Gegenstand der Vorwürfe war, versuchte einen der Ermittler für psychisch dienstunfähig erklären zu lassen.

Der Vorfall im Einzelnen

  1. Im Januar 2010 überfallen Mitglieder der Rockergruppe “Bandidos” mit Schlagstöcken und Messern “Red Devils” in einem Schnellrestaurant in Neumünster, eine Person wird lebensgefährlich verletzt. Zwei erfahrene und überdurchschnittlich gut beurteilte Beamte im Kieler LKA (Rohs und Hilker) führen die Ermittlungen.

Am 29.04.2010 werden mit Verfügung des Innenministeriums vom 21.04.2010 die Bandidos Neumünster verboten.

  1. Der V-Mann-Führer (VP-Führer) Schaeller im LKA teilt den Ermittlungsführern am 9.6.2010 mit, ihm habe ein langjähriger Informant gesagt, ein in Untersuchungshaft befindlicher Beschuldigter habe sich zur Tatzeit nicht am Tatort aufgehalten (der Beschuldigte wurden letztlich auch tatsächlich freigesprochen). Diese Aussage solle jedoch nicht in der Ermittlungsakte dokumentiert werden, er habe dies dem Informanten versprochen.

Die Ermittlungsbeamten halten dies für rechtswidrig, voraussichtlich sogar strafbar: Dem Informanten sei keine förmliche Vertraulichkeit zugesichert worden (kein VP-Status) und man hätte dies nach den einschlägigen Richtlinien auch nicht gedurft, da der Informant selbst tatverdächtig gewesen sei. Die Ermittler wollen die Identität des Informanten in Erfahrung bringen, weil dieser die tatsächlichen Täter benennen könnte.

Gleichwohl stellten sich die Vorgesetzten der Ermittler trotz Remonstration auf die Seite des V-Mann-Führers und untersagten die Dokumentation der entlastenden Aussage in der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft, Begründung: Schutz des Informanten. Dieser wiege “schwerer als der Erkenntnisgewinn für das Gerichtsverfahren”. Das Vorgehen sei angeblich mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt; der Staatsanwalt soll jedoch später erklärt haben, nicht vollständig ins Bild gesetzt worden zu sein.

Bereits zuvor soll der VP-Führer berichtet haben, ein weiterer Beschuldigter in dem Strafverfahren (der später zu einer Haftstrafe verurteilt wurde) sei zwar vor Ort gewesen, habe aber nicht zugestochen. Die Vorgesetzten sollen auch die Aufnahme dieses Hinweises in die Verfahrensakte verhindert haben.

  1. Am 11.6.2010 erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Landgericht Kiel und stellt das Verfahren gegen andere Beschuldigte ein. Der Haftbefehl gegen den in Untersuchungshaft befindlichen Angeschuldigten wird am 18.6.2010 aus anderen Gründen als der entlastenden Aussage unter Auflagen außer Vollzug gesetzt, besteht aber fort.
  2. Nach langen und erfolglosen Bemühungen auf dem Dienstweg, die entlastende Aussage dokumentieren zu dürfen, übergibt der unmittelbar Dienstvorgesetze des Ermittlungsbeamten Rohs am 8.7.2010 dem zuständigen Staatsanwalt im Beisein des Rohs einen auf den 14.06.2010 datierten kurzen Vermerk von diesem über die Aussage des Informanten. In dem Vermerk heißt es, eine Überprüfung des Wahrheitsgehalts sei ohne Offenlegung der Quelle nicht möglich. Mündlich wird dem Staatsanwalt der Inhalt der Aussage detaillierter beschrieben.

Dies hat Folgen: Rohs wird am 9.7.2010 durch den leitenden Kriminaldirektor Höhs die Sachbearbeitung entzogen und Umsetzung angekündigt. Würde er sich nicht freiwillig versetzen lassen, werde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Die Umsetzung erfolgt am 26.7.2010 gegen Rohs Willen in eine andere Abteilung – und zwar genau in den Bereich, den er als einzigen als unerwünscht angegeben hatte. Dabei wird dem Kriminalbeamten später (am 14.10.2010) vom LKA-Direktor bestätigt, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit seinem Vorgehen Dienstpflichten verletzt habe.

  1. Nun fertigt der V-Mann-Führer endlich einen eigenen Vermerk über die Aussage bezüglich des ehemaligen Untersuchungshäftlings, der zur Akte genommen wird (datiert auf den 19.07.2010). Doch dieser ist in zwei Punkten falsch und wahrheitswidrig, beanstanden die Ermittler: Erstens habe der V-Mann-Führer den Hinweis nicht erst am 9.6.2010 erhalten wie vermerkt, sondern schon ca. zwei Wochen vorher anderen Beamten davon erzählt. Zweitens sei dem V-Mann-Führer eine nähere Konkretisierung der nur verkürzt dokumentierten Aussage durchaus möglich gewesen; er hatte den Kollegen deutlich mehr erzählt. Der vollständige Inhalt der Aussage gelangte nie zur Akte.
  2. Am 20.7.2010 wird auch dem anderen Ermittler (Hilker) untersagt den Vermerk richtig zu stellen. Daraufhin legt dieser die Sachbearbeitung nieder. Er erhält am 23.11.2010 eine schlechtere Beurteilung als zuvor und wird zum 1.11.2010 in eine andere Abteilung umgesetzt. Auch Ermittler Rohs erhält eine teilweise negative Beurteilung.
  3. Um die Ermittler daran zu hindern, die vollständige entlastende Aussage vor Gericht offenzulegen, erhalten sie keine Aussagegenehmigung diesbezüglich (nur der V-Mann-Führer, der den falschen Vermerk geschrieben hat, darf dazu aussagen). Ihre Remonstration dagegen verwirft der leitende Kriminaldirektor Ralf Höhs. Das Gericht fordert einen der Ermittler auf eine Aussagegenehmigung beizubringen. Am 10.12.2010 schreibt daraufhin der Leiter des Rechtsreferats der Polizeiabteilung des Innenministeriums dem Gericht eine Sperrerklärung für „die in der Verfahrensakte anonyme Quelle“. Den Ermittlern zufolge führte diese Formulierung das Gericht in die Irre, denn sie erweckte den Eindruck, in dem Ermittlungsverfahren gebe es nur eine anonyme Quelle. Tatsächlich gab es eine V-Person im Rechtssinne, von der andere Informationen stammten, die aber nicht identisch mit dem hier in Rede stehenden Informanten war, bei dem die Voraussetzungen für Vertraulichkeit und Sperrerklärung nicht vorlagen. Nach Erhalt der Sperrerklärung fragt das Gericht nicht weiter nach. Am 15.04.2011 fällt es sein Urteil.
  4. Anfang 2011 fragt der grüne Landtagsabgeordnete Fürther beim Innenministerium an, ob es zutreffe, dass zwei Ermittlungsbeamte die Ermittlungsgruppe verlassen mussten und ob dies „in einem Zusammenhang mit Ermittlungshandlungen der Beamten in diesem Verfahren“ stehe. Das Innenministerium verweigert eine Antwort (Drs. 17/1162). Innenminister ist Klaus Schlie (CDU) – heute im Kompetenzteam des Albig-Herausforderers Günther (CDU) wieder als künftiger Innenminister vorgesehen. Eine weitere Frage (Drs. 17/1259) zieht Fürther aus unbekannten Gründen zurück.
  5. Am 13.1.2011 begibt sich der Kriminalbeamte Hilker wegen der Sache in ärztliche Behandlung und meldet sich krank. Am 28.2.2011 übergibt Hilker dem Arbeitskreis Mobbing der Landespolizei eine Akte über den Vorgang und schreibt, er hoffe, dass er durch Einschaltung dieses Gremiums „den Glauben an eine gerechte und rechtsstaatliche Polizei wiedererlange“. Er beschwert sich u.a. massiv über die Vorgehensweise des damaligen leitenden Kriminaldirektors im LKA Ralf Höhs (heute Landespolizeidirektor) im Umgang mit der Kritik der Ermittler. Am 28.4.2011 kündigt Höhs als Dienstvorgesetzter von Hilker an, er werde die Überprüfung dessen Dienstfähigkeit beantragen, und tut dies tatsächlich. Der Antrag wird vom Landespolizeiamt allerdings ausgesetzt, wo kritisiert wird, dass Höhs den Antrag stellt, obwohl er selbst Gegenstand der Mobbingvorwürfe des Hilker ist. Am 27.5.2011 legt Höhs nach und schreibt dem Landespolizeiamt nun, eine akute Eigengefährdung des Hilker sei nicht auszuschließen (Suizidgefahr). Am 7.6.2011 erklärt ein Betriebsarzt nach Untersuchung jedoch, er sehe keine Selbst- oder Fremdgefährdung durch Hilker. Später verlässt Hilker das LKA und wechselt zur Polizeidirektion Kiel.
  6. Ermittler Hilker lässt am 2.5.2011 Strafanzeige und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen seine damaligen Vorgesetzten wegen der Unterdrückung der entlastenden Aussage erstatten. Er beauftragt mit Prof. Dr. Michael Gubitz einen Kieler Rechtsanwalt, der in anderen Verfahren Rocker verteidigte. Das LKA befürchtet wegen Weitergabe eines vertraulichen Vermerks in diesem Kontext eine Gefahr für den Informanten, sichtet in Abwesenheit der Ermittler deren Büros und befragt Kollegen über sie. Es verweigert Rohs später Einsicht in den Vorgang, jedoch bekommt er über das Datenschutzzentrum rudimentäre Informationen. Eine Klage auf Akteneinsicht (Az. 3 A 49/13) bleibt erfolglos.
  7. Am 16.9.2011 verfügt der LKA-Direktor Rogge nach Rücksprache mit dem Leiter der Polizeiabteilung des Innenministeriums, Herrn Muhlack, Verwaltungsermittlungen gegen die Vorgesetzten wegen der Dienstaufsichtsbeschwerde des Hilker und beauftragt Beamte aus Mecklenburg-Vorpommern damit. Diese finden jedoch “keine Anhaltspunkte für Dienstvergehen”. Die Begründung wird geheim gehalten. Auch die Strafanzeige führt zu nichts. Die Staatsanwaltschaft verweigert eine Einsichtnahme in ihre Akte. Heute soll sie bereits geschreddert worden sein.
  8. Der von Ermittler Hilker angerufene Mobbingausschuss bleibt lange untätig und begründet dies mit der laufenden straf- und dienstrechtlichen Prüfung. In einem Bericht von Beauftragten des Mobbing-Ausschusses vom 22. Januar 2013 heißt es dann aber: “Die dem Gremium zugänglichen Informationen aus der Akte ,Mobbingverdachtsfall H.’ und den durchgeführten Gesprächen stimmten in vielen Teilen überein, so dass ein Fehlverhalten der beschuldigten Personen (PR E. und KD Höhs) möglich erscheint. Einige der geschilderten Handlungen wären, für sich betrachtet, durchaus als Mobbing zu bewerten.” Das Gremium regte in seiner Beurteilung an, “auf geeigneter Ebene eine dienstrechtliche Untersuchung des Führungsverhaltens, insbesondere in Bezug auf den Mobbingverdacht, auch im Interesse der Beschuldigten durchzuführen.” Da einer der Beschuldigten LKA-Vize sei, gemeint war Höhs, sei eine “Überprüfung auf höherer Ebene (Innenministerium) sinnvoll”.

Mitte 2013 dann fertigen die Beauftragten des Mobbing-Ausschusses (darunter eine Psychologin und eine Polizeiseelsorgerin) einen dreiseitigen Vermerk, der dem Innenministerium vorliegen soll. [Laut Staatssekretärin übersandte der Arbeitskreisvorsitzende und Landespolizeidirektor Hamm im April 2013 eine Zusammenfassung von Gesprächen und Eindrücken einzelner Mitglieder des AK Mobbing an den Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium Muhlack. Es soll sich um einen einen Zwischenbericht, einen Extrakt und die Ankündigung eines Ergebnisberichtes gehandelt haben.] Mehrere Kollegen von Rohs und Hilker erklärten danach anonym, sie spielten mit dem Gedanken Höhs zu erschießen; sie verstünden jetzt die Mechanismen des Dritten Reiches; sie seien ebenfalls gemobbt und von ihren Arbeitsbereichen entfernt worden.

  1. Nach Vorlage dieses Berichts wird der Fall im Oktober 2013 seitens des Innenministeriums dem Mobbing-Ausschuss entzogen. Zur Begründung wird die Klage des Rohs auf Akteneinsicht in das “Gefahrermittlungsverfahren” genannt. Nach Erhebung einer Klage seien “verwaltungsinterne Verfahren und Gremien nicht mehr zugänglich”. Zuvor hatte ein Gespräch des Leiters der Polizeiabteilung im Innenministerium Muhlack mit dem Arbeitskreis Mobbing sowie den Leitungen des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes stattgefunden, auf dem sich der damalige LKA-Vize Höhs ausführlich gerechtfertigt haben soll.
  2. Ermittler Roos verklagt das Land wegen Mobbing, jedoch erfolglos. Die Klage wird vom Leiter des Rechtsreferats der Polizeiabteilung des Innenministeriums bearbeitet, obwohl diesem selbst das Verfassen einer irreführenden Sperrerklärung vorgeworfen wird.
  3. Eine Klage des Hilker auf Schadenersatz wegen einer bislang nicht erfolgten Beförderung zum Kriminalhauptkommissar bleibt ohne Erfolg.
  4. Herr Höhs wird vom SPD-Innenminister Breitner Ende 2013 an die Spitze des Landespolizeiamts befördert, obwohl das Innenministerium die Vorwürfe seiner Beamte gegen ihn kennt. Breitner sagt öffentlich, Herr Höhs gehöre zu den herausragenden Führungspersönlichkeiten innerhalb der Landespolizei, habe sich „in zahlreichen Leitungsfunktionen umfassend bewährt“ und „sein ständiger Einsatz gelte einer modernen und qualitätsorientierten Polizeiarbeit“.
  5. Die neu bestellte Polizeibeauftragte des Landes El Samadoni (SPD) prüft den Sachverhalt gegenwärtig.
  6. Am 5. Mai 2017 berichtet der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag: “Rechtsanwalt Michael Gubitz, der einen der Kriminalbeamten vertritt, bestätigte gestern auf Nachfrage die Vorwürfe, die Breyer öffentlich gemacht hat.”
  7. Am 7. Mai 2017 beantragt Patrick Breyer eine Sondersitzung des Innenausschusses zur Aufklärung des Vorfalls.
  8. Am 12. Mai 2017 präzisiert Patrick Breyer den Bericht des Vorfalls um einige Details. Die Polizeibeauftragte des Landes bestätigt die Beschwerden von zwei Kriminalbeamten und fordert eine Stellungnahme des Innenministeriums. Die Kieler Nachrichten berichten ausführlich.
  9. Am 17. Mai 2017 äußert sich Rechtsanwalt Marquort, der Peter Borchert im Subway-Verfahren vertreten hatte, ausführlich zu den von Patrick Breyer veröffentlichten Vorwürfen und veröffentlicht neue Belege.
  10. Am 23. Mai 2017 berichten die Kieler Nachrichten über einen Gesprächsvermerk, der den Vorwurf der gezielten Aktenmanipulation stützt.
  11. Am 24. Mai 2017 zeigt das Schleswig-Holstein Magazin einen ausführlichen Beitrag mit O-Tönen.

Die Printausgabe der Kieler Nachrichten berichtet ausführlich, die Onlineausgabe kurz: Nach Informationen der Kieler Nachrichten sei am Dienstag bei der Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig Strafanzeige gegen den Landespolizeidirektor Ralf Höhs gestellt worden. Justizkreisen zufolge werde geprüft, ob ein Anfangsverdacht besteht. SPD, FDP und Grüne fordern “unverzügliche Aufklärung”, unterstützen bislang aber nicht den Antrag der Piraten auf eine Sondersitzung des Innen- und Rechtsausschusses. Ex-Innenminister Schlie fordert das Innenministerium zur Aufklärung auf. Für heute kündigte das Ministerium eine Stellungnahme an.

Rechtsanwalt Marquort bestätigt, dass die Staatsanwaltschaft den ihr übergebenen Vermerk des Ermittlers zur Akte genommen hat. Dieser ist jedoch ebenso kurz und wenig aussagekräftig wie der Vermerk des VP-Führers; die Details der Aussage wurden unter Verschluss gehalten.

Die Kieler Nachrichten berichten am Abend über eine nichtssagende Stellungnahme des Innenministeriums und den Inhalt der Strafanzeige.

  1. Die Kieler Nachrichten berichten am 26. Mai 2017 online kurz und in Print ausführlich, die Landespolizei habe eigene Beamte der Soko Rocker auf der Suche nach einer undichten Stelle überwacht und abgehört. Der Generalstaatsanwalt hat die Strafanzeige gegen Höhs und andere wegen des Verdachts der Beweismittelunterdrückung an die Lübecker Staatsanwaltschaft abgegeben.
  2. Die Kieler Nachrichten berichten am 27. Mai 2017, nach dem Willen der übrigen Fraktionen solle sich der Innen- und Rechtsausschuss am Mittwoch, den 7. Juni mit den Vorwürfen befassen. Damit wird die Aufklärung seit Bekanntwerden über einen Monat lang verschleppt.
  3. Erstmals äußern sich am 30. Mai 2017 die Polizeigewerkschaften, u.a. der Bund der Kriminalbeamte, die GdP. Der DPolG-Vorsitzende sagte den Kieler Nachrichten, falls sich die Vorwürfe gegen Höhs bestätigten, sei er als Landespolizeidirektor nicht haltbar.

NDR Info zitiert aus den Abschlussberichten der disziplinarischen und strafrechtlichen Untersuchungen.

Der Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium Jörg Muhlack weist die Vorwürfe schriftlich zurück und behauptet im NDR Fernsehen wahrheitswidrig, alle bekannten Informationen seien ohne Zeitverzug in das Strafverfahren eingebracht worden.

  1. Nach den Rechtfertigungsversuchen des Leiters der Polizeiabteilung im Innenministerium per Pressemitteilung und Landeszeitung bleiben am 1. Juni 2017 folgende offene Fragen und Ungereimtheiten bezüglich der Vorwürfe von Aussageunterdrückung und Mobbing in der „Soko Rocker“:
  2. Stimmt die Darstellung der geschassten Ermittler, der Quelle des entlastenden Hinweises bezüglich des Untersuchungsgefangenen sei nie Vertraulichkeit zugesichert worden und es habe sich nicht um eine Vertrauensperson der Polizei gehandelt? (Die Identität von Informanten darf in Strafverfahren nur geheim gehalten werden, wenn ihnen Vertraulichkeit zugesichert worden ist. Es gab dazu eine eindeutige Richtlinie, nämlich der Gemeinsame Erlass des Ministeriums für Justiz, Arbeit und Europa und des Innenministeriums vom 19. September 2008. Wegen der Geheimhaltung seiner Identität konnte der Hinweisgeber nicht weiter vernommen werden.)
  3. Herr Muhlack behauptet: „Alle Erkenntnisse sind direkt an die Staatsanwaltschaft gegangen. Das soll mündlich erfolgt sein – und der Staatsanwalt reagierte sofort. Er soll das Gericht angeschrieben und eine Haftverschonung angeregt haben.“
  4. a) Wann soll Haftverschonung angeregt worden sein und mit welcher Begründung? (Nach meinen Informationen soll Haftverschonung aus ganz anderen Gründen – nämlich auf Verlangen des Verteidigers wegen Nichtgewährung von Akteneinsicht – gewährt worden und der Haftrichter nicht über die vollständige entlastende Aussage in Kenntnis gesetzt worden sein.)
  5. b) Stimmt die Darstellung der geschassten Ermittler, die entlastende Aussage sei Kollegen schon mindestens zwei Wochen zuvor bekannt gewesen, als sie davon erfuhren und eine Information der Staatsanwaltschaft erreichten? (wochenlange Zurückhaltung des Hinweises)
  6. c) Ist eine nur mündliche Information der Staatsanwaltschaft rechtmäßig, obwohl nur eine Verschriftlichung der vollständigen Aussage gewährleistet, dass der Haftrichter, das Strafgericht und die Verteidigung davon vollständige Kenntnis bekommen und ihr nachgehen können?
  7. Die beiden Ermittlungsführer sollen laut Muhlack entgegen einer Weisung ihrer Vorgesetzten dem bereits informierten Staatsanwalt einen schriftlichen Vermerk über die Aussage übergeben haben. (Den Ermittlern zufolge habe ihr Vorgesetzter gemeinsam mit einem von ihnen am 8.7.2010 den Vermerk übergeben und die Auffassung vertreten, der Hinweis müsse schriftlich dokumentiert werden.)

Stimmt die Darstellung der geschassten Ermittler, der Staatsanwalt habe bei dieser Gelegenheit zu verstehen gegeben, er sei über die genauen Hintergründe und Inhalte des Hinweises nicht vollständig und wahrheitsgemäß unterrichtet gewesen?

  1. Stimmt die Darstellung der geschassten Ermittlungsführer, der VP-Führer habe mit Datum vom 19.07.2010 einen in zwei Punkten wahrheitswidrigen Vermerk über den Hinweis zur Akte gegeben und die Vorgesetzten hätten ihnen eine Richtigstellung verboten? Der Hinweis soll Zeugen zufolge mindestens zwei Wochen früher als vermerkt gegeben worden sein. Und auch die Angabe, eine weitere Konkretisierung der Aussage sei nicht möglich, soll nicht der Wahrheit entsprechen. (Der Schutz etwaiger Vertrauenspersonen rechtfertigt in keinem Fall die Dokumentation von Falschinformationen.)
  2. Wurde die entlastende Aussage, ein anderer Beschuldigter als der Untersuchungsgefangene – der später verurteilte Peter Borchert – habe nicht zugestochen, in der Akte vermerkt? (Nach Darstellung der Ermittlungsführer soll auch B. durch einen Hinweis entlastet worden sein, ihnen jedoch verboten worden sein dies festzuhalten.)
  3. Stimmt die Darstellung der Ermittlungsführer, die Sperrerklärung des Innenministeriums für „die in der Verfahrensakte anonyme Quelle“ habe das Strafgericht in die Irre geführt, weil es mehrere anonyme Quellen gegeben habe und die oben genannte keinen VP-Status gehabt und deswegen auch keine Sperrung gerechtfertigt habe?
  4. Warum wird der interne Untersuchungsbericht des LKA Mecklenburg-Vorpommern, der auf die Beschwerde eines Ermittlungsführers gegen seine Vorgesetzten angefertigt wurde, den Ermittlern, dem Parlament, der Polizeibeauftragten und der Mobbingkommission vorenthalten, während NDR Info daraus zitiert?
  5. Hat das LKA ein hochrangiges Mitglied der Bandidos Neumünster als V-Mann geführt, obwohl dies das angestrebte Verbot dieser Organisation von Rechts wegen ausschloss?
  6. Welche Gegenleistung an V-Leute aus Rocker- oder rechtsextremen Kreise ist geflossen? Informationen? Geld in welcher Höhe?
  7. Welcher der Ermittlungsführer soll die Soko Rocker „freiwillig“ verlassen haben? (Nach Darstellung der Ermittlungsführer hat keiner von ihnen einer Umsetzung zugestimmt.)
  8. Warum wird der dreiseitige Zwischenbericht der Unterarbeitsgruppe Mobbing von 2013, demzufolge auch mehrere Kollegen der Ermittlungsführer Mobbing und die Entfernung aus ihren Arbeitsbereichen durch Herrn Höhs beklagten und dessen Führungsstil mit „Mechanismen des Dritten Reiches“ verglichen haben sollen, den Ermittlern, dem Parlament, der Polizeibeauftragten und der Mobbingkommission vorenthalten?
  9. Warum wird die Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft Kiel, die keinen Verdacht einer Straftat gesehen hat, dem Anzeigeerstatter, dem Parlament, der Polizeibeauftragten und der Mobbingkommission vorenthalten, während NDR Info daraus zitiert?

Weitere Vorwürfe stehen bisher unwidersprochen im Raum:

  • Das Innenministerium habe dem Mobbingausschuss den Fall nach der Strafanzeige eines Ermittlers und einer Klage auf Informationszugang entzogen, obwohl in der einschlägigen Dienstvereinbarung keine Rede davon ist, dass dies die Zuständigkeit des Ausschusses ausschließt. 2014 wurde dann der Mobbingausschuss insgesamt aufgelöst.
  • Herr Höhs soll hartnäckig die Überprüfung der Dienstfähigkeit eines der Ermittler wegen “Eigen- und Fremdgefährdung” betrieben haben, ohne dass dazu Veranlassung bestanden habe und obwohl er selbst Gegenstand von Mobbingvorwürfen des Betroffenen gewesen sei.
  • Herr Höhs soll sowohl im oben genannten Fall als auch auf der Suche nach einer vermeintlichen undichten Stelle zu Unrecht beschuldigte Beamte unter dem Deckmantel der „Fürsorge“ aus ihren Arbeitsbereichen entfernt und sinngemäß Aussagen getätigt haben wie „Ich bestimme Lebensläufe“ oder „Egal, was dabei heraus kommt, wird diese Person hier keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen“.
  • Vor der Ernennung von Herrn Höhs zum Landespolizeidirektor sei der damalige Innenminister Breitner vom Leiter der Polizeiabteilung Herrn Muhlack nicht über die Mobbingvorwürfe gegen Herrn Höhs informiert worden.
  1. Über einen Monat nach der Enthüllung durch Patrick Breyer muss die Landesregierung am 7. Juni 2017 ab 14 Uhr vor dem Innen- und Rechtsausschuss Stellung nehmen. Berichten werden Vertreter von Innenministerium, Justizministerium und die Polizeibeauftragte.
  2. Die Kieler Nachrichten berichten am 7. Juni 2017, dass das LKA auch eine Aussage zugunsten eines weiteren Beschuldigten – des später verurteilten Peter Borchert – unterdrückt haben soll (siehe oben, Kurzbericht online). Der Staatsanwalt habe vor Gericht “schwere Ermittlungsfehler” gerügt; wichtige Hinweise seien von der Polizei nicht hinreichend dokumentiert worden.

Außerdem ist ein Erlass des Innenministeriums vom 01.06.2017 bekannt geworden, der die Aufklärungsmöglichkeiten der Polizeibeauftragten massiv einschränkt.

  1. Wortprotokoll der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses vom 7. Juni 2017 hier. In der Sitzung wurden bisher nicht veröffentlichte Dokumente angesprochen: eine “Qualitätsrichtlinie” zu Aussagen von V-Personen, ein Grunderlass von Justiz- und Innenministerium zu V-Personen und zwei Richtlinien/Grundsätze dazu. Die Innenstaatssekretärin meinte, “nicht jedes Detail der verdeckten Informationserhebung” habe Ermittlern und Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden müssen. Es gelte der Grundsatz: “So viel Information wie nötig, so wenig Information wie möglich.” Es gebe “keine Defizite in Zusammenarbeit, Führungsverhalten oder Arbeitsklima in diesem Bereich”. Der Leiter der Polizeiabteilung behauptete: “Die Hinweise, die wir aus dem verdeckten Bereich hatten und die gekommen sind, sind in unmittelbarer und aus meiner Sicht vollständiger Art und Weise mit der Staatsanwaltschaft ausgetauscht worden.”
  2. Die Kieler Nachrichten berichten am 13. Juni 2017: SPD will vertrauliche Akten einsehen. Mit einem sogenannten Aktenvorlagebegehren des Parlaments soll die Polizeiabteilung des Innenministeriums und das Landespolizeiamt verpflichtet werden, den Mitgliedern des Innen- und Rechtsausschusses Einblick in eine Reihe bisher vom Innenministerium geheim gehaltener Dokumente zu geben, darunter interne Untersuchungsberichte, brisante Papiere des Arbeitskreises Mobbing und Unterlagen zum fraglichen VP-Status des Informanten.

Die Printausgabe berichtet, die Lübecker Staatsanwaltschaft habe im Zuge ihrer Prüfung “sämtliche Akten” angefordert. Dies sei untypisch in einem Vorprüfungsverfahren.

Die Polizeibeauftragte befasst sich mit weiteren Vorwürfen gegen das LKA.

Nach Recherchen der Kieler Nachrichten wurden die Ermittlungen gegen den damaligen Präsidenten der Bandidos Neumünster eingestellt, obwohl Mobilfunk-Daten ihn genauso belasteten wie die später angeklagten Rocker.

  1. Die Kieler Nachrichten berichten am 16. Juni 2017: Seit Anfang April werde aufgrund eines Erlasses die Internetnutzung von Polizeibeschäftigten verdachtslos protokolliert und drei Monate lang aufbewahrt – auch die erlaubte private Internetnutzung (siehe dagegen die geltende Richtlinie zur Nutzung von Internet und E-Mail). Auch seien mehrfach Büros in Augenschein genommen und Verbindungsdaten abgeglichen worden, um Beamte mit Kontakten zur Presse und zu Abgeordneten (von der LKA-Führung “singende Ratten” genannt) zu identifizieren. Ihnen wird die Verletzung von Dienstgeheimnissen vorgeworfen.

Aus Seite 11 ist ein hochbrisanter Hintergrundbericht über “Das Netzwerk der Polizeiführer“ veröffentlicht. Der Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium Muhlack (“Es ist mir egal, wer unter mir Innenminister ist”), Landespolizeidirektor Höhs und LKA-Leiter Kramer seien persönlich langjährig miteinander befreundet. Muhlack (laut KN die “Schlüsselfigur” mit einer “dominanten Stellung”) habe Höhs und Kramer 2013 ins Amt gebracht und entscheide gern selbst, welche Informantionen er nach oben weiter gebe und welche nicht. Der Führungswechsel 2013 habe zu einem “Kahlschlag” auch in der zweiten und dritten Reihe geführt, um Getreue zu installieren. Dazu habe LKA-Leiter Kramer Mobbingvorwürfe gegen tadellose und tüchtige Beamte konstruiert. Gedeckt habe dies als Personalrat LKA-Vize Nietz (“gilt als Vertrauter der Führungsriege”), der auch BDK-Chef ist und die Polizeiführung in dieser Funktion vor einigen Tagen in Schutz genommen hat. Das Trio Muhlack-Höhs-Kramer habe ein Netzwerk aus Vertrauten und “Zuträgern” installiert. Gesprochen werde von einem “System Höhs” und einem “Klima der Angst” wegen ständiger Suche nach “singenden Ratten” in den eigenen Reihen. Ein Beamter schildert, Kritik führe zunächst zu Informationsentzug, dann zur “Wegbeförderung” oder gar dem Versuch der Erklärung als dienstunfähig unter dem Deckmantel der “Fürsorge”.

Wortprotokoll des Berichts der Landesregierung zum LKA-Skandal vom 08.06.2017

  1. Am 21. Juni 2017 hat der Innen- und Rechtsausschuss ein Aktenvorlagebegehren der SPD zu den Vorwürfen für geheim erklärt und beschlossen (Protokoll). Die Landesregierung ist nun verpflichtet, die Abgeordneten Akten einsehen zu lassen.

Die Kieler Staatsanwaltschaft verweigert die Herausgabe des Urteils im sogenannten Subway-Strafverfahren, das im Mittelpunkt des aktuellen Skandals um Vorwürfe von Aussageunterdrückung und Mobbing im Landeskriminalamt steht. In ihrem abschlägigen Bescheid stellt sie sich auf den Standpunkt, ein berechtigtes Interesse an einer anonymisierten Urteilsabschrift sei “weder vorgetragen noch ersichtlich”.

  1. Der neue Innenminister Grote (CDU) bezeichnet die Vorwürfe der Aktenmanipulation und des Mobbings beim Landeskriminalamt am 3. Juli 2017 als Priorität Nummer 1.

In Reaktion auf den Erlass des Innenministeriums hat die Polizeibeauftragte eigene Verfahrenshinweise veröffentlicht, die die Vertraulichkeit von Hinweisen betonen. Wenn sie auf eigene Initiative tätig wird, könne sie auch Vorfälle aufgreifen, die länger als ein Jahr zurückliegen.

  1. Journalisten der Kieler Nachrichten, die über den von den PIRATEN aufgedeckten Skandal um Vorwürfe von Aussageunterdrückung und Mobbing im Landeskriminalamt berichteten, melden am 16. Juli 2017 Hinweise auf einen Peilsender an ihrem Dienstwagen und ein versuchtes Eindringen in ein E-Mail-Konto.[1] [2] Dazu auch die Berichte “Ein Funksignal wirft viele Fragen auf“, “SPD warnt vor Rechtsmissbrauch” und “Ein schwerer Verdacht“. Gegenüber den Lübecker Nachrichten nennt ein Sprecher der Landespolizei den Verdacht “Schwachsinn“.
  2. Am 17. Juli 2017 weisen Innenminister und Polizeiführung den Verdacht der Überwachung von Journalisten, die im LKA-Skandal recherchieren, in einer Pressekonferenz zurück.
  3. Die vom Innen- und Rechtsausschuss beantragte Akteneinsicht soll erst Ende August gewährt werden, schreibt das Innenministerium am 18. Juli 2017.
  4. Die Lübecker Staatsanwaltschaft hat sich am 18. Juli 2017 zum Stand ihrer Ermittlungen geäußert. Aus dem Fragenkatalog der Kieler Nachrichten an das Innenministerium, den Ex-Innenminister Studt (SPD) absurderweise zur strafrechtlichen Prüfung übersandt hatte, ergebe sich kein Verdacht einer Straftat. Wegen des Verdachts einer Peilung des Fahrzeugs des Chefredakteurs und eines Eindringens in einen E-Mail-Account eines Journalisten der Kieler Nachrichten hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Zum Stand der Prüfung der Strafanzeige wegen des Vorwurfs der Aussageunterdrückung äußert sich die Staatsanwaltschaft nicht.

Der ehemalige Präsident der Bandidos Neumünster, Ralf B., bestreitet im SHZ-Interview Meldungen von Kieler Nachrichten und NDR, er sei der Informant des Landeskriminalamts gewesen.

Die Kieler Nachrichten melden am 19. Juli 2017, dass mehrere Personen das Unabhängige Landesdatenschutzzentrum gebeten hätten, datenschutzrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Abhöraktionen und Überwachung der Polizei zu prüfen und zu bewerten. Auch die Polizeibeauftragte ermittele wegen des Verdachts von Beamten, von der eigenen Behörde abgehört worden zu sein.

Bereits am 10. Juli hat der NDR weitere Ungereimtheiten im LKA-Skandal aufgezeigt:

  • Im Anschluss an die Bluttat im Schnellrestaurant Subway sei die Wohnung des Präsidenten der Bandidos Neumünster Ralf B., die im Untergeschoss auch als Vereinsheim genutzt wurde, durchsucht worden. Auf dessen Wunsch habe man die Durchsuchung jedoch im Obergeschoss begonnen, damit seine schwer kranke Lebensgefährtin “zur Ruhe kommen” könne. Mit Rücksicht auf den weißen Teppich habe man sogar die Schuhe ausgezogen.
  • Die mit einer Digitalkamera aufgenommenen Fotos und Videos, die die Ermittler im Haus des Rocker-Chefs machten, seien nach der Hausdurchsuchung wieder gelöscht worden. Aktenkundig wird dies erst ein halbes Jahr nach der Durchsuchung: Alle Bilder und Videos seien zu dunkel geworden und deshalb nach der Durchsuchung gelöscht worden. Im Ermittlungsverfahren gegen Ralf B. wegen des Verdachts der Hehlerei wären die Bilder interessant gewesen. Der Kriminologe Prof. Feltes fordert ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterdrückung oder Vernichtung von Beweismitteln.
  • Trotz widersprüchlicher Zeugenaussagen zur Messerstecherei habe es keine konfrontative Befragung gegeben, um diesen Gegensatz aufzulösen.

In dem Untersuchungsbericht des Landeskriminalamts Mecklenburg-Vorpommern soll es heißen: “Der Hinweisgeber stand im Zentrum der vereinsrechtlichen Maßnahmen.” Das Innenministerium erklärt: Eine “strukturierte Zusammenarbeit” mit “Bandidos” habe es zum Zeitpunkt des Verbots nicht gegeben – was auch immer das heißt.

Hier der Videobeitrag im NDR Fernsehen

  1. Unter anderem die Lübecker Nachrichten veröffentlichen am 21. Juli 2017 eine Zusammenfassung der Affäre (mit Statements von Patrick Breyer): “Belauscht die Polizei die Presse?
  2. In einem offenen Leserbrief, der von BDK und GdP veröffentlicht wurde, werfen Polizeibeamte den Kieler Nachrichten am 28. Juli 2017 die Verbreitung von “fake news” vor, insbesondere bezüglich des Verdachts der Journalistenüberwachung. Auf den eigentlichen Vorwurf der Aussageunterdrückung und des Mobbings geht der Brief nicht ein. Bei den Unterzeichnern soll es sich überwiegend um Führungskräfte des Landeskriminalamtes und um Mitarbeiter der betroffenen Abteilungen 2 und 5 handeln. Initiator des Schreibens ist laut Kieler Nachrichten Rainer Bretsch, Leiter des auch für Rockerkriminalität zuständigen LKA-Dezernats Organisierte Kriminalität. Als Kriminaldirektor zähle er zum Führungskreis um LKA-Chef Thorsten Kramer und dessen Vize, Stephan Nietz.

Innenminister Grote (CDU) hat Ex-Innenminister und Rechtsanwalt Buß (SPD) als Sonderermittler mit der Aufklärung des LKA-Skandals beauftragt. Mit dem Abschlussbericht rechnet er in sechs Monaten. Buß wird mit den Worten zitiert: “Wir zwei Sozis tun es aber für das Land und für die Polizei.” Die Kieler Nachrichten vermuten, der SPD dürfte es jetzt schwerer fallen einen parlamentarischen (und öffentlichen) Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Wie das Innenministerium auf Anfrage mitteilt, wurden noch nie so viele LKA- und LPA-Beamte wegen Krankheit auf andere Dienstposten oder als dauerhaft dienstunfähig in den vorzeitigen Ruhestand versetzt oder haben den Polizeidienst infolge gesundheitlicher Gründe auf andere Weise verlassen als im letzten Jahr. Hintergrund: Der Polizeiführung wird vorgeworfen, unter anderem auf diesem Wege gegen Kritiker vorzugehen.

  1. Wegen der Vorwürfe wird ein Untersuchungsausschuss des Landtags eingesetzt, wie die SPD am 1. August 2017 ankündigte, voraussichtlich im Oktober oder November (siehe NDR und Lübecker Nachrichten). Deren Innenexperte argumentiert, nur so ließen sich Widersprüche in den Akten aufklären. Widersprüchlich sind die beiden Vermerke zur entlastenden Aussage eines Informanten, von denen einer nähere Aufklärung fordert während der andere behauptet, nähere Angaben seien nicht zu erlangen.

Die Printausgabe der Kieler Nachrichten berichtet am 2. August 2017 ausführlich über die vielen offenen Fragen im LKA-Skandal (jetzt auch online).

  1. Im Interview mit den Kieler Nachrichten erklärt der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt am 15. August 2017, man könne “fast meinen, dass die Gewerkschaft der Polizei und der Bund Deutscher Kriminalbeamter in Schleswig-Holstein Bestandteil des Establishments und mit den in Frage stehenden Instanzen zu eng verbandelt sind”. Die LKA-Affäre sei “eine Chance für die Landespolizei, eine neue und gute Fehlerkultur zu etablieren”. Es gehe nicht um eine Kampagne gegen die Polizei, um das mögliche Fehlverhalten einzelner Personen.
  2. Der zwischenzeitlich aufgehobene Erlass des Innenministeriums zur Zusammenarbeit mit der Polizeibeauftragten im Volltext vom 21. August 2017.
  3. Das Innenministerium dementiert am 22. August 2017 Telekommunikationsüberwachung oder Verkehrsdatenabgleich ohne richterliche Anordnung.
  4. Am 24. August 2017 erscheint eine Liste der Verfahren, in denen die Polizeiabteilung des Innenministeriums Sperrerklärungen abgegeben hat.
  5. Das Innenministerium hat am 21. September 2017 die Übergabe bisher geheimer Akten an den Landtag angekündigt. Doch im Gegenzug fordert es von den Volksvertretern ein Schweigegelübde.

Mit der Aktenanforderung will der Landtag unter anderem aufklären, was wirklich in den Berichten von Mobbing-Ermittlern, Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern zu den Vorwürfen von Aussageunterdrückung und Mobbing im Kieler LKA steht.

Doch nach dem Willen des Innenministeriums sollen sich die Abgeordneten mit wenigen Ausnahmen zur Geheimhaltung der Akteninhalte verpflichten und selbst für den eigenen Gebrauch keine Kopien machen dürfen.

Mit dieser Blankoknebelung droht die dringend nötige Aufklärung der schweren Vorwürfe ad absurdum geführt zu werden. Selbst schwere Missstände und Rechtsbrüche wären geheimzuhalten, sollte der Landtag dieser Forderung nach Nulltransparenz nachgeben.

Ohne öffentlichen Druck und öffentliche Kontrolle wird das Parlament seinem Kontrollauftrag nicht nachkommen können. Die Akten sollten deshalb nur insoweit für vertraulich erklärt werden wie es sich rechtmäßigerweise um Verschlusssachen handelt, nicht zum Schutz von Funktionsträgern vor Kritik. Jetzt ist das Selbstbewusstsein des Parlaments gefragt.

Der Innen- und Rechtsausschuss entscheidet nächste Woche. Nicht zuversichtlich stimmt, dass der Ausschuss bisher sogar die Bezeichnung der angeforderten Akten für geheim erklärt hat – einstimmig.

  1. Am 29. September 2017 übersendet das Innenministerium Akten zum Thema „Rocker“ an Innen- und Rechtsausschuss.

Die Kieler Nachrichten berichten, der Innen- und Rechtsausschuss habe einer Pauschaleinstufung als geheim zugestimmt. In einigen Punkten könne die Geheimhaltung nach Absprache eventuell aufgehoben werden. Grundsätzlich müsse der Ausschuss aber hinter verschlossenen Türen beraten. Die SPD kündigte an, einen Untersuchungsausschuss erst im Dezember beantragen zu können.

  1. Nachdem der Landtag bereits die Geheimhaltung brisanter Unterlagen zum LKA-Skandal vor der Öffentlichkeit beschlossen hat, sollen auch Fraktionsmitarbeiter vom Zugang ausgeschlossen werden. Die SPD beantragt deshalb am 11. Oktober 2017 eine Sondersitzung des Innen- und Rechtsausschusses und übt Kritik.
  2. Es wurde am 13. Oktober 2017 entschieden, dass Abgeordnete einen Mitarbeiter zur Begleitung mitbringen dürfen, jedoch dürfen Mitarbeiter die Akten nicht alleine durcharbeiten/sichten. Ursprünglich war die Diskussion noch anders verlaufen: Im Hinblick auf die enorme Aktenmenge sollten Mitarbeiter auch alleine sichten dürfen. Aus dem Protokoll vom 27. September 2017 geht auch hervor, dass die Geheimhaltungsentscheidung selbst für den geplanten Untersuchungsausschuss gilt. Auch dieser wird über die als geheim eingestuften Akten nicht offen berichten und Zeugen dazu nicht öffentlich befragen dürfen.

Die Zeitschrift “Bikers News” hat einen ausführlichen Hintergrundbericht über den LKA-Skandal und ein Interview mit Patrick Breyer veröffentlicht. Neu ist etwa die Information, der frühere Chef der Bandidos habe nach einem Zeitungsinterview die Gruppierung inzwischen verlassen.

  1. Die Deutsche Polizeigewerkschaft berichtet am 15. Oktober 2017: “In die Reihe der Pannen und Merkwürdigkeiten in dieser Hinsicht passt auch, dass der von Innenminister Grote als “unabhängiger Sonderermittler” benannte Klaus Buß sich ausgerechnet einen LKA-Beamten aus der Soko Rocker ins Team holte, der zu allem Überfluss auch noch zu den Unterzeichnern des sogenannten ‘Offenen Briefs’ aus dem LKA zählte, in dem die mediale Berichterstattung über die Rockeraffäre in die Nähe von ‘Fake News’ gerückt wurde. Der Mitarbeiter des Sondermittlers musste nach Aufdeckung dieser Hintergründe bereits seinen Hut im Team von Klaus Buß nehmen. Die Frage, ob der Sonderermittler wirklich noch unvoreingenommen und unabhängig oder seine Reputation bereits beschädigt ist, muss als naheliegend bezeichnet werden.”
  2. Die Kieler Nachrichten berichten am 21. Oktober 2017: Innenminister Grote (CDU) hat alle an dem Fall beteiligten Mitarbeiter des Innenministeriums und der Landespolizei zu “uneingeschränkter Kooperation auf allen Ebenen” mit dem von ihm eingesetzten Sonderermittler Buß (SPD) angewiesen und von ihrer Verschwiegenheitspflicht befreit. Buß darf auch schriftliche dienstliche Erklärungen von Beamten einholen. Außerdem sind ihm auf Verlangen alle Unterlagen zugänglich zu machen. Wer fürchtet, durch seine Aussage das Wohl des Landes oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich zu gefährden, soll seine Vorbehalte beim Büroleiter des Innenministers vortragen – damit ist der selbst involvierte Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium Muhlack außen vor.
  3. Die dpa meldet am 3. Novermber 2017: Landespolizeidirektor Ralf Höhs und Jörg Muhlack, Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium, sollen ihren Job aufgeben. LKA-Direktor Kramer geht Mitte 2018 in Ruhestand.

Herr Höhs hat ein persönliches Statement abgegeben: https://www.youtube.com/watch?v=S8UyyB9cRuQ

Erklärung des Innenministers im Wortlaut

Beitrag des Schleswig-Holstein-Magazins vom 02.11.2017

Ein NDR-Journalist meint in NDR aktuell, Ziel der Personalmaßnahme sei es, einen Untersuchungsausschuss zu verhindern und den Ex-Innenminister Klaus Schlie aus der Schusslinie zu nehmen. Schlie erklärt aber am nächsten Tag persönlich, dass er einen Untersuchungsausschuss befürworte, weil alle korrekt gehandelt hätten.

Protokoll über die Anhörung des Innenministers im Innenausschuss

  1. Im Schleswig-Holstein-Magazin sagt ein Vertreter der Deutschen Polizeigewerkschaft am 4. November 2017, Polizeibeamte auf allen Ebenen sprächen von einem “Klima der Angst” und “Führen durch Erschrecken”.
  2. Laut NDR vom 7. November 2017 soll der Personalrat angekündigt haben, der Ablösung der Polizeiführer zu widersprechen. Aktuell laufen Gespräche mit ihnen. Erst wenn die anderweitige Verwendung geregelt ist, sollen die Stellen neu ausgeschrieben werden. Einstweilen behalten die Polizeiführer ihre vollen Befugnisse.
  3. Nach Presseberichten vom 8. November 2017 sollen Abteilungsleiter Muhlack und der Leitende Polizeidirektor Ralf Höhs zum Jahresende von ihren Posten abberufen werden. “Die Polizeiführung erkenne das Primat der Politik offenbar nicht mehr an, so das bittere Fazit in Regierungskreisen. Sie agiere wie ein Staat im Staate.” Minister Grote nannte konkrete Beispiele, in denen die Politik nicht informiert wurde. Außerdem sollen die Herren Muhlack und Höhs de Mitwirkung bei der Aufklärung der Vorwürfe im LKA-Skandal verweigert haben. Sein Entschluss sei seit seiner Amtseinführung gereift, so der Minister.

In einem am 7. November 2017 veröffentlichten Gutachten stellt sich der Wissenschaftliche Dienst des Landtags auf den Standpunkt, dass die Landesverfassung geändert werden müsste, um Mitarbeitern von Abgeordneten eine selbständige Akteneinsicht zu ermöglichen. Ansonsten bliebe nur ein Untersuchungsausschuss, um eine Einsichtnahme durch Mitarbeiter zu ermöglichen.

  1. Der Deutsche Beamtenbund, in dem auch die DPolG Mitglied ist, sagt am 9. November 2017: Ablösung der Polizeispitze politisch nachvollziehbar und beamtenrechtlich legitim
  2. Ein Neuer Erlass gibt freie Hand für die Polizeibeauftragte (2. Januar 2018)
  3. Der Innenminister will im Innenministerium eine neue „Beschwerde- und Beteiligungsstelle“ für die 7700 Beschäftigten der Landespolizei einrichten. So wird ein Ansprechpartner “außerhalb der bestehenden Führungsstrukturen” geschaffen, wenn man sich nicht an den Vorgesetzten wenden will oder kann. „Wir müssen weg davon, dass Beschwerden als Querulanten- oder Denunziantentum angesehen werden,“ erklärte Grote am 6. Februar 2018. Dass sich Polizisten angstfrei äußern können, sei „unverzichtbar“. Die Polizeibeauftragte begrüßte die Pläne.

Kieler Nachrichten: Neue Beschwerdestelle für Polizei

GdP: Zusätzliche Beschwerdestelle für die Beschäftigten der Landespolizei im Innenministerium

Im Internet verweist ein Kommentator auf eine Vereinbarung zur Personalentwicklung und Grundsätze für Zusammenarbeit und Führung, die schon seit 20 Jahren Anforderungen an Führungskräfte im Land beschreiben.

  1. Am 10. Februar 2018 beantragt die SPD die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Klärung der Vorwürfe.
  2. Die Kieler Nachrichten berichten am 12, Februar 2018: Landtag nimmt Polizei unter die Lupe

Es gibt auch einen Bericht der Lübecker Nachrichten.

  1. Am 20. Februar 2018 erscheint die Pressemitteilung Polizei-Untersuchungsausschuss: Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit und der Konsequenzen!:

Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss wird die 2016 und 2017 von den PIRATEN aufgedeckten Vorwürfe der Unterdrückung entlastender Hinweise und des Mobbings im Kieler Landeskriminalamt („Rocker-Affäre“) sowie der Duldung von Sexismus und Rassismus an der Eutiner „Polizeischule“ FIAF untersuchen.

Einsetzungsantrag der SPD

Geplante Landtagsdebatte am Freitag mit Livestream

  1. Am 22. Februar 2018 erscheinen Ergänzungsfragen von CDU, FDP und Grünen zum Einsetzungsantrag der SPD

Der oben erwähnte interne Zwischenbericht des Unterarbeitskreises Mobbing, den das Innenministerium bisher unter Verschluss hielt, liegt nun dem NDR vor. Der Bericht zeichne ein verheerendes Bild des Arbeitsklimas im LKA. Beamte der SoKo Rocker erklärten, sie hätten große Angst. Gespräche mit Vorgesetzten wie vor allem dem späteren Landespolizeidirektor Höhs seien durch persönliche Angriffe geprägt: “Der Mitarbeiter werde ‘seziert’, auseinander genommen, bloßgestellt und zum Teil über mehrere Stunden ‘gegrillt’”. In Einzelfällen sei es zu Panikattacken und psychologischer Hilfe gekommen. “Wer nicht wie ein Soldat funktionierte, sei bekämpft und ‘weggemacht’ worden”. Die Schilderungen der Befragten insgesamt würden übereinstimmen und glaubwürdig wirken, hielten die beiden AK-Mitglieder fest. Höhs wurde 2014 Landespolizeidirektor – acht Monate, nachdem die genannten Vorwürfe festgehalten worden waren. Zum NDR-Bericht

Zum gleichen Thema die Kieler Nachrichten: Die Ängste in der Soko “Rocker”. Wie oben berichtet äußerte ein Beamter der Soko Rocker, er habe erst begriffen, wie der NS-Staat funktioniert habe, seit er diesen Führungsstil erlebt habe.

  1. Der Landtag hat den Untersuchungsausschuss am 6. März 2018 einstimmig eingesetzt. Die lesenswerten Reden der Abgeordneten erklären, um welche Fragen es geht und worum es den einzelnen Fraktionen hauptsächlich geht (als Video ansehen). Zutreffend wurde die mediale Bezeichnung “Rocker-Affäre” kritisiert, da es sich um Vorwürfe gegen das Kieler Landeskriminalamt handelt.

http://www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2017/05/Plenarprotokoll-Auszug-23.02.2018.pdf

  1. Der Untersuchungsausschuss konstituiert sich am 18. April.

Die Staatsanwaltschaft teilt am 28. März 2018 mit, ihre Ermittlungen hätten keine belastbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Dienstwagen des Chefredakteurs der Kieler Nachrichten Longardt mit einer Peil- bzw. Sendevorrichtung zur Feststellung des Fahrzeugstandortes versehen gewesen wäre. Sie hat die Ermittlungen mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Externe Störfaktoren bei der Messung seien nicht auszuschließen. Die Frequenz werde von der Flugsicherung genutzt. Bei dem von der Staatsanwaltschaft beauftragten Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz hätten eine Physikerin und ein Elektroingenieur im Rahmen der Ermittlungen an einem beliebigen Ort in Mainz eine Vergleichsmessung vorgenommen, bei der ebenfalls das Signalspektrum des Sekundärradars gemessen worden sei. Nähere Informationen in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft

Die Prüfungen der Staatsanwaltschaft Lübeck einer Strafanzeige gegen (ehemalige) LKA-Beamte wegen des Verdachts der Verfolgung Unschuldiger, der Freiheitsberaubung und der Strafvereitelung im Amt im Zuge des eigentlichen LKA-Skandals laufen offenbar weiter.

  1. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses stehen am 11. April 2018 fest.
  2. Die Landesregierung hat noch einmal nachgelegt und dem Landtag im Februar weitere Akten zum LKA-Skandal vorgelegt. Diese bleiben jedoch wie üblich unter Verschluss.
  3. Die Kieler Nachrichten am 28. Mai 2018, eine neue Polizeiführung sei eingesetzt worden, jedoch leider ohne offene Ausschreibung. Ausgerechnet der Leiter der skandalträchtigen Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und Bereitschaftspolizei Wilksen, bisher zuständig für die FIAF (“Polizeischule”), wird neuer Landespolizeidirektor.

Konsolidierte Fassung des Einsetzungsbeschlusses des parlamentarischen Untersuchungsausschusses

Die erste öffentliche Beweisaufnahme wird am 3. Dezember um 11 Uhr stattfinden, siehe Sitzungskalender. Insgesamt sollen rund 100 Zeugen vernommen werden.

Liste der nicht-öffentlichen Dokumente des Untersuchungsausschusses (chronologisch und thematisch samt Zusammenfassung der Beratungsgegenstände)

Der Untersuchungsausschuss bekommt den Bericht des Sonderermittlers des Innenministers – die Öffentlichkeit nicht.

  1. Der vom Innenminister eingesetzte Sonderermittler Buß hat Ergebnisse seiner Prüfung der von den Piraten im Jahr 2017 aufgedeckten Vorwürfe vorgestellt. Der Bericht bleibt jedoch unter Verschluss. Hier die bisher herausgegebenen Auszüge (Untersuchungsergebnisse, Handlungsempfehlungen und Stellungnahmen des Innenministers):

http://www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2017/05/20180706-Medieninformationen-Sonderbeauftragter-zum-LKA-Skandal.pdf

Einige wesentliche Punkte:

  • Die beiden Ermittlungsbeamten, die für die Aufnahme eines Vermerks über die entlastende Aussage eines V-Mannes zu den Akten kämpften, hätten „grundsätzlich richtig“ gehandelt. Auch ihre Vorgesetzten und die Staatsanwaltschaft Kiel hätten darauf drängen müssen.
  • Der schließlich angefertigte Vermerk des V-Mann-Führer sei “inhaltlich falsch beziehungsweise unvollständig” gewesen, obwohl dies nicht zum Schutz des Informanten erforderlich gewesen sei.
  • Die dienstrechtliche Untersuchung der Mobbing-Vorwürfe sei nie abgeschlossen, Minister und Staatssekretäre zu keiner Zeit vollständig informiert worden. Es gebe den Verdacht von Mobbing der beiden Ermittlungsbeamten durch Führungskräfte, aber keine Beweise; eine Aufklärung sei nach so langer Zeit und wegen widersprüchlicher Aussagen nicht mehr möglich. Deshalb könne auch kein Mobbing festgestellt und niemand als Mobbing-Opfer anerkannt werden. Buß empfiehlt Einstellung der Verfahren.
  • Es habe “eklatantes Führungsversagen” gegeben, die Führungskultur sei problematisch.Buß meint aber auch: “Es gab in der Landespolizei keinen Skandal, keine Affären, keine Unterdrückung von entlastendem Beweismaterial zum Nachteil von Beschuldigten, kein Abhören und keine Freiheitsberaubung.” Das Verbotsverfahren gegen die Bandidos sei trotz des fragwürdigen Informanten sauber gewesen. Künftig solle jedoch die Führungskompetenz verbessert werden.
  • Bei der Besetzung von Spitzenpositionen (Abteilungsleiter, Landespolizeidirektor und Leiter des Landeskriminalamtes) solle künftig „sehr sorgfältig darauf geachtet werden, wie die zukünftigen Stelleninhaber zueinander stehen, welche gemeinsame Vergangenheit sie haben, ob sie auf der einen Seite gedeihlich für die Polizei zusammenarbeiten können aber auf der anderen Seite zueinander die nötige – auch kritische – Distanz haben“ (Stichwort Seilschaft/Netzwerk der Polizeiführer).
  • Es gebe mittlerweile eindeutige Handlungsanweisungen, auch über V-Leute-Informationen Vermerke zu den Akten zu geben
  • Der Sonderermittler empfiehlt eine Überarbeitung des Verfahrens für den Umgang mit Beschwerden über Mobbing
  • Der Innenminister will nun mit den beiden Ermittlungsbeamten sprechen, die die Vorwürfe erhoben haben, und “Lösungen suchen”
  • Der Innenminister lässt derzeit unter Hinzuziehung eines externen Rechtsanwalts prüfen, ob gegen den V-Mann-Führer und die damaligen Vorgesetzten der beiden Ermittler noch Disziplinarverfahren eröffnet werden können und müssen. Er werde die Öffentlichkeit sofort unterrichten, wenn es Disziplinarverfahren gegen LKA-Beamte geben sollte. Die Vorwürfe würden auch strafrechtlich geprüft.
  • Der Innenminister will eine unabhängige und zentrale Ansprechstelle für Konflikte im Innenministerium “mit absoluter Vertraulichkeit” einrichten, an die sich Polizeibeamte ohne Einhaltung des Dienstwegs wenden können (neben der Polizeibeauftragten). Diese soll “bei Auffälligkeiten strukturelle Veränderungen möglich” machen.
  • Der Innenminister hat die neue Polizeiführung beauftragt, am Führungsklima zu arbeiten
  • Der Innenminister lässt die Einrichtung einer zentralen Dienststelle für interne Ermittlungen im Innenministerium prüfen
  • Der Innenminister will eine unter Beachtung des Quellen- und Persönlichkeitsrechtsschutzes gefertigte Fassung des Buß-Gutachtens veröffentlichen
  • Dr. Kai Dolgner (SPD) kritisierte bis heute fehlende Konsequenzen für den V-Mann-Führer, während die korrekt handelnden Ermittler Nachteile hatten. Der Innenminister solle offiziell anerkennen, dass die Ermittler richtig gehandelt haben. Die Mängel in der Führungskultur seien nicht nur in Fehlverhalten Einzelner begründet. Die Vertraulichkeitseinstufung des Berichts sei zu hoch.

Presseberichte und Pressemitteilungen:

  1. Am 27. August 2018 erhält Patrick Breyer einen Rückschlag für seine Bemühungen um Aufklärung des LKA-Skandals: Um zu überprüfen, ob Fehlverhalten von Kriminalbeamten Einfluss auf das Urteil im Rockerprozess gehabt haben kann, hatte er eine anonymisierte Fassung des Urteils im Subway-Verfahren angefordert. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, die Öffentlichkeit habe keinen Zugang zu anonymisierten Strafurteilen. Ob in seinem Fall anderes gelte, soll nun das Amtsgericht Kiel entscheiden. Mehr in der Pressemitteilung von Breyer:

BGH: Keine anonymisierten Urteile für Verbraucher

  1. Der SPD-Innenpolitiker Dr. Dolgner macht sich viele Vorwürfe gegen das LKA zueigen und will ihnen nachgehen: Kieler Nachrichten vom 10. November 2018 “Nahm die Polizeiführung Einfluss?
  2. Am 3. Dezember 2018 ab 10 Uhr wird der Untersuchungsausschuss erstmals in öffentlicher Sitzung einen Zeugen vernehmen, und zwar KHK Axel Rohs (siehe Einladung). Eine Übertragung oder Aufzeichnung findet nicht statt.

Näheres im Bericht der Kieler Nachrichten: Rocker-Affäre: Ausschuss will 100 Zeugen hören

  1. Die erste Zeugenvernehmung ist laut PM vom 28. November 2018 auf den 14. Januar 2019 verschoben worden. Der Grund: Der Innenminister hat dem Zeugen kurzfristig eine nur eingeschränkte Aussagegenehmigung erteilt. Der Untersuchungsausschuss will diese Einschränkungen nicht akzeptieren.

Sitzungstermine

Kieler Nachrichten: Eklat in Rocker-Affäre – Innenministerium verhängt Maulkorb für Kronzeugen

  1. Die erste Zeugenvernehmung ist laut PM vom 12. Dezember 2018 auf den 28. Januar verschoben worden. Über die Aussagegenehmigung hat man sich mit dem Innenminister geeinigt.
  2. Einer der Ermittler, Axel Rohs, sagt vor dem Untersuchungsausschuss aus, teilweise in öffentlicher Sitzung.

Was ihm rückblickend auffällt am Subway-Verfahren:

  • Er habe sich gewundert, dass Soko-Leiter Engelmann relativ wenig Interesse an dem Verfahren zeigte.
  • Viele Dinge liefen schleppend, z.B. die Berichtsfertigung. Er musste im April selbst versuchen zu rekonstruieren, wer was gemacht hat.
  • Der Tatort wurde gereinigt, bevor die Spurensicherung vor Ort war.
  • Peter Borchert wurde festgenommen, dazu gab es aber zunächst keine Berichte. Sein Wagen sollte durchsucht werden. Die zwei Kollegen kamen schon nach einer halben Stunde zurück und hatten nur oberflächlich durchsucht, was ihn verärgerte. In der Garage, wo der Wagen stand, war auf einmal ein Kollege aus Abt. 3 (Staatsschutz) am Auto und habe Herrn Roos und Herrn Hilker zugesehen beim Abdiktieren des Wageninhalts.
  • Rohs fand im Wagen von Peter Borchert Unterlagen aus einem Ermittlungsverfahren einschließlich eines 8-seitigen polizeiinternen Auszugs aus einer Kriminalakte (INPOL), die in keinem Fall in einer Strafakte erscheinen darf, weil sie taktische Hinweise und Lichtbilder zu der Person beinhaltete. Diese Informationen konnten also nicht aus der Akteneinsicht durch einen Strafverteidiger stammen. Auf dem Ausdruck war sichtbar, wer ihn ausgedruckt hatte. Rohs habe Wuttke darauf angesprochen, der daran aber kein Interesse gezeigt habe. Rohs habe nicht weiter nachgebohrt. Letzte Woche habe er nachgefragt, weil sich INPOL-Auszüge nicht in der Akte befänden. Herr Wuttke habe geantwortet, die Auszüge seien 2016 in Absprache mit OStA Ostrowski vernichtet worden.
  • Bei der Durchsuchung beim damaligem Bandidos-Präsident Ralf B. sei der Durchsuchungsbericht ungewöhnlich gewesen. Durchsuchungen erfolgten in der Regel schlagartig. Es wurde aber auf eine schlagartige Einnahme verzichtet wegen der “Kooperationsbereitschaft” von Ralf B. Geführte Gespräche mit dem Hauptverantwortlichen wurden jedoch nicht dokumentiert, so dass unklar ist, worin die “Kooperationsbereitschaft” bestanden habe. Lichtbilder der anwesenden Personen waren vernichtet worden, obwohl auch ein Videowagen vor Ort gewesen sei.
  • Ende April/Mai sei es “ganz komisch” geworden. Herr Schaeller (VP-Führer im LKA) meldete sich telefonisch und sagte, Peter Borchert solle nicht zugestochen haben. Das war für Roos überraschend, da Anhaftungen von Blut gefunden worden waren. Roos ging davon aus, Schaeller schreibe einen Aktenvermerk. Auf seine Nachfrage erklärte er jedoch, der Hinweis komme von einer rechtlich ungeschützten Person mit Beschuldigtenstatus. Roos forderte einen Aktenvermerk, weil das eine wichtige Erkenntnis war, die ausermittelt werden musste. Herr Schaeller verweigerte das. Herr Wuttke war informiert, sah aber auch keine Notwendigkeit, das aktenkundig zu machen. Anfang Juni rief Herr Schaeller erneut an und sagte Roos, dass der damals in U-Haft befindliche Niels H. zur Tatzeit nicht am Tatort gewesen sei, sondern erst nach Beendigung der Tat. Ich erklärte: Das muss unbedingt zur Akte. Herr Schaeller sagte, darüber könne man nachdenken. Es handele sich aber um eine ungeschützte Person. Es sei aber eine zuverlässige Quelle, der könne man glauben. Roos bestätigte im Übrigen den Fortgang wie oben geschildert.

Nachdem die Namen der Beteiligten nun öffentlich bekannt worden sind, sind diese im Bericht oben nachträglich eingefügt worden.

Bericht der Sitzung vom 28. Januar 2019 auf der Landtagsseite

Bericht der Kieler Nachrichten: Ex-Ermittler packt aus

NDR: Ex-Fahnder schildert Missstände

  1. Der mehrfach vorbestrafte Neonazi Peter Borchert, der wegen der gefährlichen Körperverletzung im Subway zu einer Haftstrafe verurteilt worden war, hat gegenüber der Presse folgende Stellungnahme am 27. Februar 2019 abgegeben:

Stellungnahme von Peter Borchert zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Schleswig-Holstein

Aus Respekt vor den Mitgliedern des Ausschusses, sowie deren Aufklärungsabsichten, habe ich als damaliges Mitglied des zwischenzeitlich verbotenen Bandidos MC Neumünster bislang Abstand davon genommen, die laufenden Sitzungen zu kommentieren. Unterstellungen, die durch Vertreter der Deutschen Polizeigewerkschaft in die Öffentlichkeit lanciert werden, erzwingen jedoch eine Richtigstellung.

Bisher bin ich davon ausgegangen, dass den Forderungen nach Polizeischutz für die „Kronzeugen“ Martin H. und Axel R. polizeiinterne Anfeindungen zu Grunde lagen. Schließlich gilt es einen Skandal innerhalb der Landespolizei aufzuklären. Hiervon betroffen aber sind nicht nur zwei ehemalige Ermittlungsführer der Sonderkommission „Rocker“. Denn ich selbst musste in diesem Kontext eine Haftstrafe von mehr als 4 ½ Jahren verbüßen, obgleich ich stets eine Tatbeteiligung abgestritten habe. Die Chance auf ein faires Verfahren war, nach bisherigen Erkenntnissen, nie gegeben. Ferner diente der Prozess um die Vorfälle im „Subway“ als Kernverfahren für das Verbot des Bandidos MC Neumünster.

Es erscheint daher wenig plausibel, dass gerade diejenigen die Absicht verfolgen könnten, die Hauptbelastungszeugen einschüchtern oder in ihren Aussagen beeinflussen zu wollen, die von der Aufklärung am stärksten profitieren. Im Gegenteil, ich begegne dem Whistleblowing der Ermittler mit Achtung und wundere mich über das Ausmaß der Affäre.

Zur Erinnerung: Nach der Auseinandersetzung zweier rivalisierender MC Gruppierungen in der Subway Filiale Neumünster klagte die Staatsanwaltschaft Kiel vier Beschuldigte an. Nach 31 kontroversen Verhandlungstagen wurde lediglich eine Haftstrafe verhängt.

Was damals außerhalb der Landespolizei niemand ahnte, war, dass es den Strafverfolgungsbehörden damals gelungen ist, einen sogenannten V-Mann an der Spitze der Ortsgruppe des zwischenzeitlich verbotenen Bandidos MC Neumünster zu installieren. Oder genauer gesagt, herauszubrechen. Während die Leitungsebene des Innenministeriums ein Verbotsverfahren vorbereitete, führte die dafür zuständige Abteilung des LKA Kiel offensichtlich einen V-Mann in der Führungsebene des dann verbotenen Vereins. Das dies in einem laufenden Verbotsverfahren nicht nur rechtsstaatlich bedenklich ist, sondern schlichtweg unzulässig, weiß seit dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren jedoch jeder Jurastudent im Erstsemester.

Um das Verbotsverfahren zu schützen wurde daher auf höchster polizeilicher Ebene entschieden, dem Gericht und der Verteidigung entlastende Aussagen vorzuenthalten. Wenn Polizeiführer jedoch die Weiterleitung von Zeugenaussagen filtern, kann ein Strafprozess de facto nicht mehr der Rechtsnorm entsprechend geführt werden.

Um die Prozessbeteiligten damals nicht misstrauisch werden zu lassen, mussten Straftaten begangen werden. Zunächst wurden Aktenvermerke gefälscht und im weiteren Verlauf eine Sperrerklärung erlassen. Dies führte dazu, dass der V-Mann Führer Matthias S. während seiner Zeugenvernehmung die Aussagen eines zivilen Zeugen und die des V-Mannes vermengte, um den Anschein zu erwecken, es gäbe nur einen solchen Zeugen. Außerdem wurde vorsätzlich ignoriert, dass der hinweisgebende V-Mann zeitweise selbst tatverdächtig war.

Dass dann der V-Mann selbst es war, der den verbotenen Verein vor dem Oberverwaltungsgericht in Schleswig als letzter bekannter Präsident vertreten musste, obwohl dieser zumindest zum Verbotszeitpunkt im Dienste der Behörden stand, dürfte in der bundesdeutschen Justizhistorie ein einmaliger Vorgang gewesen sein. Letztendlich zog er die Rechtsmittel gegen das Urteil auch eigenmächtig zurück.

Das solche Vorgehensweisen im Bezug auf Motorradclubs innerhalb deutscher Polizeibehörden in den letzten 10 Jahren höchstwahrscheinlich systematisch begangen wurden, zeigt nicht nur der hier zur Debatte stehende Fall aus Schleswig-Holstein. Auch das Konzept „Bericht der Bund-Länder-Projektgruppe des UAFEK Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität – Rahmenkonzeption (ein internes aber im Internet zugängliches Polizeidokument vom 07. 10. 2010) sowie die Details, die im kürzlich in Bayern publik gewordenen V-Mann Skandal ans Tageslicht kamen, tragen diesem Verdacht Rechnung.

Man kann nur darüber spekulieren, welcher Methoden sich das LKA im Kampf gegen die sogenannte Rockerkriminalität noch bedient hat und was im Ausschuss unter Ausschluss der Öffentlichkeit darüber kommuniziert wird. Aber wenn selbst der Landesvize der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) anlasslos ein Bedrohungsszenario für seine Beamten herbeizureden versucht, lässt das tief blicken.

Den beiden Ermittlern würde ich für ihren Mut zur Aktenwahrheit wahrscheinlich kein Clubhaus-Asyl in Aussicht stellen. Ein aufmunterndes Dankeschön für den bisher geleisteten Beitrag zur Aufklärung aber sei hiermit ausgesprochen.

  1. Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat am 17. März 2019 entschieden, dass sich in der “Rocker-Affäre” um die Unterdrückung entlastender Aussage im Kieler Landeskriminalamt weder die verantwortlichen LKA-Beamte noch der zuständige Staatsanwalt strafbar gemacht haben. Dies geht aus einem 18-seitigen Schreiben an Patrick Breyer hervor. Er hatte Anzeige gegen die damaligen Vorgesetzten der Ermittlungsführer und den VP-Führer erstattet.

Die Staatsanwaltschaft begründet ihre Entscheidung gegen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im Wesentlichen damit, dass die unterdrückten Informationen keinen nachweislichen Einfluss auf das Strafverfahren um eine Messerstecherei im “Subway” in Neumünster gehabt hätten:

  • Angesichts der seinerzeit vorliegenden übrigen Beweise gegen Nils H. (u.a. Funkzellendaten) sei nicht anzunehmen, dass eine Weiterleitung der behaupteten Angabe des Informanten, Nils H. sei nicht am Tatort gewesen, zur Aufhebung des gegen Nils H. bestehenden Haftbefehls geführt hätte, zumal der Informant eigenen Angaben zufolge erst nach der Tat in Tatortnähe eingetroffen sein soll und deswegen keine eigenen Wahrnehmungen gemacht haben könne. Gleiches gelte für die Angabe des Informanten, der ebenfalls inhaftierte Peter Borchert habe nicht zugestochen (wegen zu diesem vorliegender Funkzellendaten, einer Zeugenaussage und festgestellter Blutspur).
  • Eine Weiterleitung der behaupteten Angabe des Informanten, Peter Borchert habe nicht zugestochen, hätte auch nichts an dessen Verurteilung geändert. Denn ihm sei in dem Urteil nicht zur Last gelegt worden, selbst zugestochen zu haben. Dass er überhaupt tatbeteiligt gewesen sei, habe aufgrund der Aussage einer Zeugin außer Zweifel gestanden, die aussagte, ihn erkannt zu haben.
  • Sollte der VP-Führer einen falschen Vermerk gefertigt haben, sei dies nicht strafbar.
  • Es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass der Informant im Fall seiner Identifizierung und Vernehmung “auf eigenen Wahrnehmungen beruhende Angaben zu dem Tatgeschehen und den Tätern der Auseinandersetzung” hätte machen können oder wollen, die zur Überführung weiterer Tatbeteiligter geführt hätten.
  • Es fehle auch an Vorsatz der handelnden Beamten bzw. des Staatsanwalts, weil diese nicht von einer Relevanz ausgegangen seien.
  1. Am 26. April 2019 berichtet die SHZ, dass Schleswig-Holstein eine Task-Force für interne Ermittlungen innerhalb der Polizei einrichtet. Sie solle im Juli 2019 die Arbeit aufnehmen. Vor dem Untersuchungsausschuss sagt eine der damaligen Ermittlerinnen aus: „Der ganze Vorgang um den Vermerk war ungewöhnlich“.
  2. Am 7. Mai 2019 berichtet Bastian Modrow von den Kieler Nachrichten: Wenig Antworten, stattdessen noch mehr Fragen und Ungereimtheiten: So lässt sich die Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Rocker-Affäre zusammenfassen. Vor allem der zweite Auftritt vom ehemaligen Leitenden Oberstaatsanwalt Peter Schwab vor dem Gremium sorgte bei den Obleuten für Irritationen.
  3. 24. Juni 2019 berichte der Norddeutsche Rundfunk eine Chronologie „Ein Jahr Rocker-Affäre“, ein Text, der inzwischen nicht mehr im Internet existiert.
  4. In der Rocker-Affäre macht die FDP der Staatsanwaltschaft Kiel schwere Vorwürfe und stützt sich auf die Aussage eines hochrangigen Ermittlers des Landeskriminalamtes. Die Obleute von SPD und Grünen sehen die Aussage des V-Mann-Führers im Untersuchungsausschuss mit großer Skepsis. Die Kieler Nachrichten berichten am 16. Juli 2019 über Zweifel an den Aussagen des V-Mann-Führers Schaeller.
  5. Was genau bei den Rocker-Ermittlungen in Schleswig-Holstein ab 2010 falsch lief und wer verantwortlich war – diese Fragen sind auch nach der Vernehmung der leitenden Oberstaatsanwältin Birgit Heß am 12. August 2019 nicht geklärt.
  6. Über den Umgang mit Aussagen aus nichtöffentlichen Sitzungen des PUA zur Rocker-Affäre in Schleswig-Holstein ist juristischer Streit entbrannt. Die SPD will Zeugen auch Vorhalte aus nicht-öffentlichen Befragungen machen, die keine Geheimnisse sind. Eine Befragung des stellvertretenden Soko-Leiters wurde abgesagt.
  7. Im August 2019 weitet sich die Polizei-Affäre sich aus: Der Innenminister Grote hält Informationen über ein Vertuschungs-Netzwerk der Polizeispitze geheim. Die Staatsanwaltschaft Kiel überzieht einen Kritiker mit Ermittlungen.
  8. Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Rocker-Affäre gibt es Erinnerungslücken: Der ehemalige LKA-Chef Hans-Werner Rogge stellt klar, dass er sich an Details nicht erinnern könne. Er habe damals die Kompetenzen an die Abteilungsleiter übertragen. Die habe er seit Jahren gekannt und “Vertrauen in die Qualifikation der Mitarbeiter” gehabt.
  9. Im Mai 2012 stürmten rund 1.200 Polizeibeamte zahlreiche Objekte im Land und darüber hinaus. Die Rocker-Razzia fußte damals maßgeblich auf den Aussagen des schillernden Ex-Rockers Steffen R. Allerdings hatte vor dessen Unzuverlässigkeit die Polizei Sachsen-Anhalts bereits Jahre zuvor gewarnt. Das Landeskriminalamt in SH wusste davon, behielt die Warnung jedoch für sich. Das LKA gab sie nicht an die Staatsanwaltschaft weiter, die die Ermittlungen damals leitete.
  10. Im September 2019 gab es eine Überraschung im Untersuchungsausschuss zur Rocker-Affäre: Die Abgeordneten haben dem Kieler Oberstaatsanwalt Ostrowski den Betroffenenstatus eingeräumt. Die geplante Vernehmung wurde verschoben. Am 5. November 2019 berichtet der NDR über den Konflikt in der Staatsanwaltschaft.
  11. Am 8. Dezember 2019 berichtet der NDR, Ralf B. soll Informant des Landeskriminalamtes Schleswig-Holstein gewesen sein, ein sogenannter V-Mann. Fakt ist: Ralf B. war eine der schillerndsten Figuren der Rockerszene in Schleswig-Holstein, Anführer der “Bandidos” Neumünster in Zeiten, als zwischen ihnen und den “Hells Angels” ein Krieg tobte.
  12. Klaus Schlie sagt am 13. Januar 2020 im PUA, dass er kein Detailwissen zu V-Leuten gehabt habe und dass er keine Rechtsverstöße im Verbotsverfahren gegen die Bandidos sähe. Auch zwei ehemalige Innenminister erinnern sich nicht: Schlies Amtsvorgänger hatte der Ausschuss zuvor in Rekordzeit befragt. Aber weder Lothar Hay (SPD) noch Rainer Wiegard (CDU) konnten sich an Einzelheiten erinnern.
  13. Der frühere Landespolizeidirektor Burkhard Hamm erhebt am 24. Februar 2020 schwere Vorwürfe gegen den damaligen Leiter der Polizeiabteilung, Jörg Muhlack. Der Zeuge im Untersuchungsausschuss Andreas Breitner, Innenminister von 2012 bis 2014, hat wie alle Vorgänger Gedächtnislücken und bestreitet, dass es ein Klima der Angst in der Landespolizei gegeben hat.
  14. Innenminister Hans-Joachim Grote CDU gibt am 28. April 2020 sein Amt als Innenminister Schleswig-Holsteins ab. Hintergrund ist der Untersuchungsausschuss zur sogenannten Rockeraffäre. Ihm wird vom Ministerpräsidenten Günther vorgeworfen, allzu offenherzig Informationen mit der Presse geteilt und Dienstgeheimnisse verletzt zu haben. Sabine Sütterlin-Waack wird neue Innenministerin. Zwei an die Landesregierung weitergeleitete Bestra-Berichte (Berichtspflichten in Strafsachen) der Staatsanwaltschaft haben auch beim Aus von Ex-Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) eine wichtige Rolle gespielt.