Alexander Hardt war allerdings nicht der erste, der von Impunität profitierte. In mehreren Prozessen war in der Vergangenheit auch sein “Bandidos”-Bruder Peter Borchert mit milden Strafen davongekommen, so dass der Dägeling-Überfall in einer Kontinuität steht. Was genau aber passierte am 23. Mai 2016?
Wie wir unter 5-Innenstadt erwähnt haben, war Matthias Stutz ehemaliger Hells Angel. Er war in seinem Chapter North End “Sergeant at Arms” und hatte ein “Bad Standing”.
Nach seinem Ausscheiden hat Dennis K. seinen “Posten” übernommen. Offensichtlich hat Dennis K. Stutz zuvor bedroht und angegriffen (Vorgang 417680/15 bei Polizeirevier Norderstedt).
Gemeinsam mit Norman Meeves aus Kiel und Christian Tetzlaff aus Bad Oldesloe sowie einer vierten Person, die augenscheinlich und wie wir im Folgenden nachweisen werden, Peter Borchert war, hat Matthias Stutz am 23. Mai Dennis K. in Dägeling aufgesucht. Sie hielten den Geschädigten, der gerade in seine schwarze Chevrolet Corvette einsteigen wollte, die vor dem Haus seiner Freundin parkte, durch eine Art Blaulicht an. Daraufhin stieg Dennis K. aus seinem Wagen. Nach einem kurzen Wortgefecht rief Dennis K. um Hilfe und stieg in die Corvette ein. Die Täter schlugen daraufhin die Scheibe auf der Fahrerseite mit einem Baseballschläger ein und sprühten Pfefferspray in den Innenraum der Corvette. Anschließend stachen sie auf den Geschädigten ein und verletzten ihn am linken Oberarm vermutlich durch 2 Messerstiche. Dies geschah vermutlich, als Dennis K. sich mit dem linken Arm vor dem Messerangriff schützen wollte.
Meeves, Tetzlaff, Stutz und Borchert flüchteten mit einem VW Touran mit dem amtlichen Kennzeichen “HH-VD 7755”.
Die mit der Festnahme beschäftigten Polizeiobermeister Thiel und Laloi beschreiben eindeutig vier Täter:
„Anschließend öffneten sich sogleich noch während das Fahrzeug rollte alle vier Türen und vier Personen sprangen aus dem Fahrzeug. Der VW Touran rollte währenddessen rechts in den Graben und kam dort zum Stillstand. Sogleich verließen wir unseren FustKW und nahmen die Verfolgung der vier Personen zu Fuß auf, die durch den Graben, über einen Radweg und anschließend in ein Gebüsch flüchteten.“
Stutz konnte in einem Gebüsch sitzend gefasst werden, Tetzlaff und Meeves wurden von Diensthunden gestellt. Peter Borcherts Fährte hatten die Diensthunde zwar im Rahmskamp in Elmshorn aufgespürt, aber die Suche wurde von POK D. Meyer abgebrochen, da „der DH (Diensthund) offensichtlich erschöpft war“.
Interessant ist die Niederschrift über die Gegenstände, die im VW Touran (dem Täterfahrzeug) gefunden wurden:
- ein KFZ-Schlüssel Mercedes-Benz mit Anhänger von Süverkrüp Automobile Kiel
Wie wir aus dem Subway-Verfahren wissen, fuhr Peter Borchert einen auf seine Freundin Melanie Mende zugelassenen grauen Mercedes Benz 190D mit dem Kennzeichen KI-TX 148.
- 1 Pistole Sig-Sauer P228 9 mm Nr. B335758
Für die neonazistische Kampfgruppe “Combat 18 Pinneberg” soll Borchert über einen Mittelsmann bei dem Waffenhersteller Sig-Sauer die Utensilien besorgt haben.
- Schlüsselbund “Peter Bandidos”.
Der Namenszug ist schon recht eindeutig.
Die Zeugin Hanna K. sagte gegenüber der Polizei Folgendes über eine der Personen im Täterauto aus:
Die Person, die ein rot-kariertes Hemd getragen hat, wirkte auf mich ein bisschen kleiner und auch nicht ganz so kräftig gebaut wie die anderen beiden. Das kann aber auch aufgrund der Bekleidung so gewesen sein. Ich glaube, der hatte schwarze Haare und er wirkte auf mich auch von der Hautfarbe her ein bisschen dunkler.
Eine Beschreibung, die sehr zu Peter Borchert passt. Der „Rot-Karierte“ soll sich während der Tat auf der Straße von links nach rechts bewegt haben. Offensichtlich stand er „Schmiere“.
Insgesamt bemerkte Hanna K. an diesem Fahrzeug drei Personen. Ob noch ein Fahrer im Fahrzeug saß, dazu macht sie keine Angabe.
Die Zeugin Jara M. sagte gegenüber der Polizei aus, dass ein Auto auf der Straße stand. In diesem Auto hätte eine Person gesessen, und drei andere Personen wären neben dem Auto gestanden. Nach der Tat seien alle hinten links in der hinteren Tür eingestiegen. Die andere Seite wäre gar nicht auf gewesen, so dass dann die drei Männer hinten auf der Rückbank saßen und der Fahrer vorne gefahren sei.
Während mehrere Zeugen nur drei Täter gesehen haben wollen, hat Jara M., vor deren Haus sich die Tat abgespielt hat, alle vier Täter gesehen.
Im Bericht zur Absuche des vermuteten Fluchtweges nach Verlassen des Fluchtfahrzeuges, der von KHK L. Petersen abgefasst wurde, wurde aus dem rot-karierten Hemd, das die Zeugen gesehen übereinstimmend gesehen haben, ein blau-weiß kariertes Hemd der Marke Tommy Hilfiger mit der Kragengrößenbezeichnung 46, das angeblich auf einer Wiese gefunden wurde. Ein Foto dieses Asservats liegt bei.
Außerdem wären zwei der drei Personen per Video-Sequenz erkannt worden, die am Zaun des Confiserie-Geländes hinter dem Werksgebäude in Richtung Ramskamp laufen. Es handele sich dabei um die Beschuldigten Meeves und Tetzlaff. Der dritte flüchtende Täter sei auf dieser Sequenz nicht zu sehen, sodass davon ausgegangen werden müsse, dass er eine andere Fluchtrichtung gewählt habe.
Komischerweise sind allein die Aufnahmen von Peter Borchert unscharf, die anderen beiden Täter sind deutlich zu erkennen.
Das Samsung GT-E1200i, das im Fluchtfahrzeug gefunden wurde, enthielt aufschlussreiche SMS-Chats.
Im Speicher des Telefons ist ein SMS-Austausch aus dem Juni 2015 zu finden. Zu dieser Zeit fand der Ausschluss von Matthias Stutz aus dem Hells Angels MC Charter North End in Norderstedt statt, der später zum verfeindeten Bandidos MC wechselte. Seine Sorgen in dieser Zeit teilt Stutz mit einer bisher nicht zu ermittelnden Kontaktperson, die die Rufnummer 0151-66409569 nutzt, mutmaßlich Peter Borchert. Zu dieser Nummer ergab eine Anschlussinhaberfeststellung angeblich keine Treffer.
Am 10.06.2015 sendet der Anschluss eine SMS mit dem Text „01724126831“ und dem Hinweis, dass demjenigen gerade geschrieben wurde und auf Antwort gewartet wird. Laut Zeugenprotokoll Dägeling handelt es sich dabei um den Anschluss von Achim Schneider, geb. 23.04.1964 in Göttingen, während der Tat wohnhaft in Kisdorf. Schneider war damals Präsident des HAMC Chapter North End. In dem Anruf wird es um den „Out“ von Stutz gegangen sein. Stutz offenbart in den SMS große Panik, hat Sorge um sein Leben: „Ich bete das die mir keine grube graben. So als germany verräter.“ (!sic)
Schneider tauchte kurz nach der Tat mit weiteren Hells Angels am Klinikum Itzehoe auf, in dem Dennis K. versorgt wurde. Er erhielt eine Gefährderansprache. Schneider wurde dann angewiesen, dass weder er noch Mitglieder seines Clubs (oder andere Beauftragte) Vergeltungstaten für den Angriff auf Dennis K. planen, veranlassen oder durchführen sollen.
Er soll glaubhaft versichert haben, dass man sich zurückhalten und nichts unternehmen werde. Nach Angaben von Schneider waren ihm die Namen der Tatverdächtigen bekannt. Diese seien Dennis K. von den Polizeibeamten genannt worden, so Schneider. Man wisse daher auch, dass ein ehemaliges Mitglied seines Clubs (Stutz) dabei gewesen sei.
Wie 0151-66409569 mit Peter Borchert in Verbindung gebracht wurde, findet sich im Auswertungsbericht zum Mobiltelefon von Stutz: Im Handy wurde eine einzige Nummer 01525–5464096 unter dem Eintrag „Fettsack“ abgespeichert. Die Nummer gehörte Thorsten Steinig, Mitglied des Chicanos MC Neumünster, einem inzwischen verbotenen Unterstützerclub des Bandidos MC. Jürgen Simon Hilgendorf, der zusammen mit Stutz auf dem Klingelschild des ersten Tattoo-Studios „Famous“ in der Holstenstraße stand, gab bei einem Polizeieinsatz in der Wohnung von Stutz am 19.02.2016 die Rufnummer 01525–5464090 an. Bis auf die letzte Ziffer „0“ entspricht sie der im Mobiltelefon von Stutz abgespeicherten Nummer. Hilgendorf lebte mit dem Kriminellen Bylent Biqiri in einer Wohnung in der Noldestraße 14 in Neumünster. Am 28.04.2016 konnte Bylent Beqiri zusammen mit den Beschuldigten Matthias Stutz und Norman Meeves sowie dem ebenfalls als Mitglied des Bandidos MC amtsbekannten Peter Borchert im Fahrzeug von Matthias Stutz festgestellt werden. Hieraus ergab sich die Verbindung zwischen Stutz und Borchert für das LKA.
Wie schon im Subway-Verfahren das wichtigste Beweisstück (Peter Borcherts Cargohose mit den Blutanhaftungen des Opfers) verschwand und es jede Menge Ungereimtheiten zur Person Borchert gab, tauchte auch in der Hauptverhandlung zum Dägeling-Überfall unseren Informationen zufolge die Sig-Sauer und sich eventuell darauf befindliche Fingerabdrücke nicht wieder auf, ohne das dafür eine plausible Erklärung geliefert wurde. Hätte sie Borchert, um den sich seit Jahrzehnten Gerüchte ranken, in Erklärungsnöte bringen können, der so eben trotz der Hinweise auf seine Tatbeteiligung einer Strafverfolgung entging und nicht mit seinen drei Mitstreitern verurteilt wurde? Und hätte das wiederum das ganze Netz von V-Personen auffliegen lassen können, mit dem die Polizei im Rockerkrieg ihr eigenes Süppchen kochte?