Wer ist dieser Alexander Hardt?
Alexander Walter Wilhelm Hardt wurde am 09. Mai 1980 in Neustadt in Holstein geboren. Um zu verstehen, wie Hardt zu einem Weggefährten Peter Borcherts wurde, muss ein Blick auf die Geschichte der rechtsextremistischen Terrorzelle “Combat 18” in Schleswig-Holstein geworfen werden.
Am 28. Oktober 2003 wurden vom Landeskriminalamt (LKA) in Schleswig-Holstein (Neumünster, Kiel, Husum, Rendsburg, Raum Itzehoe, Eckernförde), Hamburg und Niedersachsen 58 Wohnungen und weitere Objekte durchsucht. 15 der 50 durchsuchten Wohnungen wurden von Spezialeinsatzkommandos aus ganz Deutschland gestürmt. Rund die Hälfte der 300 eingesetzten Beamten waren SEK- oder MEK-Angehörige. 7 Personen wurden festgenommen. Der Verdacht: Bildung einer kriminellen Organisation namens „Combat 18“ und Waffenhandel. Die Verhafteten waren schon lange in der rechten Szene aktiv und bekannt. Einer der Schwerpunkte der Durchsuchungen war Neumünster. Hier wurden ebenfalls Objekte durchsucht und drei Personen festgenommen. Es gab außerdem zwei Festnahmen in Kiel und je eine in Hamburg und Eckernförde. Am 29. Oktober ließ man zwei Verdächtige wieder frei. Einer von ihnen habe umfangreich ausgesagt, so ein LKA-Sprecher. Ein anderer sei eine „Randfigur“ gewesen.
Unter anderem seien eine Pumpgun*, eine Schrotflinte sowie Pistolen, vier Revolver, Messer, Baseballschläger, ein „Musterkoffer“ mit CDs rechtsextremen Inhalts und eine Vereinskasse der etwa 25 Köpfe stark gewesenen Gruppe beschlagnahmt worden.
*Interessant: Dass der Blood & Honour-Untergrund ein gefährliches Terrain ist, bekam am 25. März 1999 der Neumünsteraner Sascha „Pitbull“ Meseberg zu spüren. Dem Neonazi vom harten Kern der Club-88-Szene wurde aus nächster Nähe mit einer Pumpgun der Schädel zerschossen. Die Ermittler gingen von einer Abrechnung im kriminellen Milieu aus.
Anführer von „Combat 18“ (Kampfgruppe Adolf Hitler) war Klemens Otto. Er stammt aus dem Umfeld des Hamburger Sturm um Christian Worch und Thomas Wulff. Otto baute die Pinneberger Kameradschaft maßgeblich mit auf und hielt die Kontakte auch nach seinem Umzug nach Neumünster. „Combat 18“ ist der bewaffnete Arm des 2000 in Deutschland verbotenen Nazimusik-Netzwerks „Blood & Honour“ (Blut & Ehre). Im Gründungsland England wurden von „Combat 18“ diverse Bombenanschläge mit mehreren Toten verübt. Auch in Schleswig-Holstein wurde ein Anschlag verübt und es wurden Morddrohungen ausgesprochen. So sollen sich Mitglieder von „Combat 18“ aus Bönningstedt an den Roman-Zeller-Platz in Schnelsen geschlichen haben. Ein türkisches Kleidungsgeschäft ging damals in Flammen auf und brannte fast komplett aus. Die Kripo hatte auch Kenntnis über eine „Bestrafungsaktion“ durch „Combat 18“, bei der ein Mann aus der rechten Szene zusammengeschlagen wurde.
Die Bande hatte also durch ihre Brutalität ein Klima der Angst verbreitet. Mehrere Mitglieder trainierten als „Ultimate Fighter“, Kämpfer, die sich im Ring ohne Regeln eine Schlägerei liefern, die mit dem körperlichen K.O. des Gegners endet. Die Polizei hatte auch Erkenntnisse, nach denen Mitglieder der Gruppe im Ausland Teilnehmer solcher in Deutschland verbotenen Kämpfe waren.
Der Kern von „Combat 18“ lag in Pinneberg, wo sie Überfälle und Anschläge verübten, ebenso gab es Morddrohungen. So gab es im Jahr 2000 eine öffentliche Morddrohung gegen den örtlichen IG Metall-Funktionär in Elmshorn, Schüsse auf das Haus der Bürgermeisterin, die sich im Elmshorner Bündnis gegen Neonazis engagierte, sowie in den folgenden Jahren mehrere brutale Übergriffe gegen aktive AntifaschistInnen und MigrantInnen. Außerdem seien Gebäude und Plakate in Halstenbek, Ellerbek und Rellingen (alle Kreis Pinneberg) im Vorfeld der Bundestagswahl 2002 beschmiert worden.
Als potenzieller Waffenausrüster der Gruppe verhaftet wurde auch Peter Borchert, mehrfach vorbestraft u.a. wegen schwerer Körperverletzung, Überfall und Verstoß gegen das Waffengesetz. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung wurde erneut eine scharfe Waffe gefunden. In Neumünster war Borchert vor allem durch seine Unterstützung für den „Club 88“ und als Anmelder für Demonstrationen bekannt geworden. Außerdem wurde die „Lido-Bar“, die von Thomas R. geführt wurde, durchsucht. Die Polizei interessierte sich auch für die gemeinsame Wohnung von Frank Rieckmann und der „Club 88“-Betreiberin Christiane Dolscheid.
Am 27. April 2004, sieben Monate nach der angenommenen „Zerschlagung“ der Neonazi-Gruppe, wurde Peter Borchert zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte vor dem Landgericht Kiel gestanden, zwischen Januar 2002 und Oktober 2003 insgesamt 16 Pistolen und Revolver gekauft und weiterverkauft zu haben. Die Hintermänner wollte Borchert im Prozess mit Rücksicht auf seine eigene Sicherheit nicht preisgeben. Neben den 16 Verstößen gegen das Waffengesetz hatte ihm die Staatsanwaltschaft in ihrer ursprünglichen Anklage auch mehrere Fälle von Körperverletzung vorgeworfen. Borchert soll mehrfach an NPD-Infoständen Mitglieder aus der linken Szene geschlagen haben. Diese Vorwürfe wurden mit Rücksicht auf den Hauptanklagepunkt und die vergleichsweise hohe Freiheitsstrafe eingestellt.
Die gewaltbereite Neonazi-Gruppe hatte auch PolitikerInnen und PolizistInnen im Visier. Staatsschutz-Ermittler fanden entsprechende Listen. Nach Informationen des LKA und der Staatsanwaltschaft Flensburg wurde bei „Combat 18 Pinneberg“ auch eine Anleitung zum Herstellen von Sprengsätzen aus dem Internet entdeckt. Man hätte jedoch „keine Anzeichen dafür, dass sie Gruppe Anschläge gegen Personen vorbereitet hat“. In den Unterlagen befanden sich Zeitungsausschnitte mit Bildern unter anderem von PolitikerInnen und PolizistInnen, hieß es.
Eine weitere Geldquelle wollte sich „Combat 18“ auch im Rotlichtmilieu erschließen.
Die Gruppe soll auch Händlern von rechtsextremer Musik Schutzgeld abgepresst haben und wollte ein Monopol auf dem lukrativen Markt erreichen. Die Herstellung und der Handel mit volksverhetzendem und gewaltverherrlichendem Propagandamaterial, vor allem auf CD, geht auf das Konto der Männer. Die Texte auf den Musikträgern richteten sich gegen Ausländer, Flüchtlinge, Juden, Punks und Kommunisten. Dafür war Marco Höhnke aus Pinneberg zuständig. Er galt als zweiter Chef der Gruppe.
Gleich in der ersten Pressemitteilung nach der Razzia beeilte man sich zu sagen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass einer der Festgenommenen etwas mit der Grabschändung in Neustadt (Kreis Ostholstein) zu tun hätte. Im Internet würde sich zwar eine Gruppe C-18 mit der Schändung brüsten, doch der LKA-Sprecher verneinte einen Zusammenhang mit den festgenommenen Combat-18-Leuten. Am 3. Mai 2003 gab es einen antisemitischen Angriff auf den Jüdischen Friedhof am Grasweg, der am 4. Mai entdeckt wurde. Zunächst erschienen die Zeichen auf dem Grabstein rätselhaft. Nicht mit dem Blut des aufgeschlitzten Ferkels, das auf der Gedenkstätte hinterlassen wurde, sondern mit roter Farbe hatten Unbekannte untereinander zwei Mal „C18“ auf den Stein geschmiert. Die polizeilichen Ermittlungen dechiffrierten dieses Kürzel. Es steht für die neonazistische Organisation „combat 18 Deutschland“ und die prahlte bereits seit Ende Mai im Internet mit der Schandtat in Neustadt.
Auf der Website fanden sich in einem „Aktionsreport 05/03: Jüdischer Friedhof in Neustadt“ Zitate und Fotos aus den Lübecker Nachrichten, Hasstiraden gegen Juden und das Bekenntnis: „combat 18 übernimmt für diese Tat die volle Verantwortung.“ Daneben waren Bürgermeister Henning Reimann, Landrat Reinhard Sager und Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz abgebildet. Über dieser Fotoleiste steht die Drohung: „Wer dem Juden dient, ist Feind. Ihr seid die Nächsten.“ Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz führte in den Lübecker Nachrichten vom 15. Juli 2003 aus, dass eine “heiße Spur” zu den Friedhofsschändern sich auch durch Hausdurchsuchungen in einschlägigen Kreisen nicht ergeben habe. Schultz ist derselbe Staatsanwalt, der sich durch ein neues Gutachten beim Lübecker Brandanschlag, das Brandspuren bei rechtsextremen Grevesmühlenern nachwies, nicht zu einer Änderung seiner Bewertung bewegen lässt (http://www.klick-nach-rechts.de/ticker/2003/07/neustadt.htm).
Eine Website, die zur Geschichte jüdischer Friedhöfe berichtet, enthält den folgenden Satz (Stand: 23. Oktober 2014): “Die Täter, zwei junge Männer aus Neustadt und Cismar, wurden im April 2005 ausfindig gemacht.” Daraufhin wurde Hardt vor Gericht gestellt, zu dem Prozess begleiteten ihn bekannte Akteure der Rechtsrock-Szene, so Lars Bergeest aus Cismar und Marko Eckert aus Grube, Sänger der neonazistischen Band Words of Anger. Hardt gehörte zur oben beschriebenen C18-Zelle in Ostholstein und besuchte bereits mit 22 Jahren ein Konzert der Combat-18-Band „Whitelaw“, das am 5. April 2003 in einer Halle einer Spedition an der Gadelander Straße 75 in Neumünster stattfand.
In der Folge fiel Alexander Hardt wiederholt durch Vergehen mit eindeutigen politischen Bezügen auf. So hat er das Booklet der verbotenen CD „Geheime Reichssache“ der Band „Kommando Freisler“ gestaltet. Es zeigt unter anderem ein Hakenkreuz und Bilder des Nazi-Terrorjuristen Roland Freisler sowie eines erhängten NS-Gegners. Es wird auf der CD zu einer Neuauflage der Shoa aufgerufen. Auch für diese Vorgänge im Rahmen des „Blood And Honour“-Projekts „Kommando Freisler“ fand sich Hardt vor Gericht wieder und erhielt eine Strafe von 1800 € für die Volksverhetzung.
Hardt war früh den subkulturell geprägten neonazistischen Strukturen um den „Club 88“ zuzuordnen und war Kopf der Autonomen Nationalisten der „AG Neumünster“. Am 28. September 2012 bewachte er z.B. mit Christopher Delfs den „Club 88“. Hardt veröffentlichte unter seinem Benutzernamen „onepercenter1980“ am 28. Oktober 2011 ein Video der Lübecker Nazi-Band „Einherjer“ (ex-Freikorps) auf YouTube. Er war auf diversen Neonaziaufmärschen zu sehen, z.B. in Pinneberg am 6. Juni 2009. Hinter ihm lief Horst Micheel (“Titanic”, NPD), neben ihm Jens Lütke (NPD):
2009 wurde er dann von Peter Borchert für die “Bandidos” vorgeschlagen, der zu dem Zeitpunkt noch „Prospect“ war. Der Präsident des “Bandidos MC Neumünster” macht ihn zum „Sergeant at Arms“. Zu dieser Funktion gehöre, bei der Ortsgruppe nach innen und außen für Disziplin zu sorgen, sagte ein Polizeibeamter während des sog. Undercover-Interviewer-Prozesses: „Wenn ein Ortsverband bewaffnet ist, dann ist er auch dafür zuständig.“ Alexander Hardt steht genau wie Peter Borchert für eine Entwicklung, die die Rockergruppierung der „Bandidos“ an die rechte Szene und den „Club 88“ herangeführt hat. Das hatte wohl auch damit zu tun, dass das Rocker-Hauptquartier in unmittelbarer Nähe lag.
Nachdem Hardt Einbruchswerkzeuge erst über Kontaktadresse des „Club 88“, dann über ein Postfach in Bordesholm auf den Namen Lars Bergeests vertrieb, eröffnete er 2012 den „An und Verkauf“ in Kiel Gaarden, ebenfalls auf dem Klingelschild: Karsten Mohr, Lars Bergeest, Peter Borchert. In dem alltäglichen Geschäft scheint Hardt vor allem die Betreuung des Ladengeschäfts in Kiel übernommen zu haben, wo er als Verkäufer auftritt. Nach antifaschistischen Protesten gegen den Laden jagte Hardt mit seinem Auto vermeintliche GegnerInnen über den Vinetaplatz. Inzwischen fungiert das Geschäft als Clubheim der “Bandidos”-Supporter “Mexicanos”.
Im November 2012 verurteilte das Amtsgericht Neumünster Hardt zu 13 Monaten Haft, da er Gespräche von Politikern und Polizeibeamten heimlich mitschnitt und später, mit rechtsextremen Kommentaren versehen, im Internet veröffentlichte. Eine Betroffene war die ehemalige Piraten-Landtagsabgeordnete Angelika Beer. 2015 verurteilte das Landgericht Kiel Hardt für den Angriff auf einen einen rivalisierenden “Hells Angel”, der in der rechten Kneipe “Titanic” in Neumünster Dart spielte. Obwohl es anders als in vielen Rockerprozessen nicht nur eine Mauer des Schweigens gab und nach anfänglichen Gedächtnislücken der Wirt und Neonazi Horst Micheel und dessen Sohn Björn gegen Hardt und seine “Bandido”-Brüder Borchert und Hollm aussagten, gab es zwei Freisprüche und die Strafe von einem Jahr Haft für Hardt. Blick nach Rechts-Redakteur Horst Freires sprach von einer “milden Justiz”.
Während Hardt also einerseits immer wieder vor Gericht gestellt wurde und so der Eindruck einer konsequenten Strafverfolgung entstehen könnte, fällt andererseits auf, dass er in manchen Ermittlungen gar nicht auftauchte, obwohl seine Tatbeteiligung offensichtlich war, oder aber seine Verfahren eingestellt wurden, obwohl er sich selbst mit der Tat rühmte. Im Kapitel Subway haben wir detailliert dargelegt, warum er wegen des Überfalls und der Messerstiche im Schnellrestaurant zumindest Gegenstand nährerer Ermittlungen hätte sein müssen und Anklage gegen ihn hätte erhoben werden müssen – beides war nicht der Fall. In dem Fall der Morddrohung per Video, die Hardt in der Diskussion um das Tattoo-Studio “Famous” in Neumünster an eine Kritikerin verschickte, erklärte die Staatsanwaltschaft irrsinnigerweise, es sei unklar, ob die Geste – wohlgemerkt das Abschneiden des Halses per Messer o.ä. – “als Bedrohung aufgefasst” werden könne. Zum 10jährigen Club-Jubiläum schenkten ihm seine “Brüder” ein Gemälde eben diese Geste, die mit Airbrush-Technik auf eine Leinwand gesprüht wurde, versehen mit dem vielsagenden Slogan “Expect No Mercy”.