Ein umstrittenes Beispiel für den Einsatz von V-Personen in der Rockerszene Schleswig-Holsteins kam durch die so genannte “Rockeraffäre” ans Licht. In der Folge nur eine kurze Zusammenfassung und Bewertung, ausführliche Hintergründe sind hier nachzulesen.
Nachdem Whistleblower aus der “Soko Rocker”, die den Subway-Überfall aufklären sollten (siehe nächstes Kapitel), schwere Vorwürfe gegen die eigene Führungsetage erhoben hatten, tagte seit dem 28.01.2019 regelmäßig der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA), um die Vorfälle aufzuklären.
Patrick Breyer von den Piraten fasste den zentralen Streitpunkt wie folgt zusammen: Nachdem entlastende Hinweise nicht zu den Akten genommen werden sollten, um die Identität der V-Person nicht offenzulegen, schätzen die späteren Whistleblower dieses Vorgehen als “rechtswidrig, voraussichtlich sogar strafbar” ein: “Dem Informanten sei keine förmliche Vertraulichkeit zugesichert worden (kein VP-Status) und man hätte dies nach den einschlägigen Richtlinien auch nicht gedurft, da der Informant selbst tatverdächtig gewesen sei” (https://www.patrick-breyer.de/?p=570698). Bekannt war, dass es sich um einen hochrangigen “Bandido” gehandelt hat, laut V-Mann-Führer eine “langjährige und zuverlässige Quelle” (https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Bandidos-Chef-als-V-Mann-gesetzwidrig,vertrauensperson100.html). Über die Identität des V-Mannes gab es immer wieder Gerüchte, an denen sich auch Medien wie die Kieler Nachrichten oder der NDR beteiligten: Ihnen zufolge handelte es sich um den ehemaligen “Bandidos”-Präsidenten Ralf Bacher. Der selbst stellte sich den Vorwürfen in einem shz-Interview und erklärte, er sei nie V-Person gewesen (https://www.shz.de/deutschland-welt/politik/ex-bandidos-chef-ich-war-nicht-der-informant-id17334061.html), habe aber im Rahmen der Ermittlungen mit den Beamten gesprochen.
Daraufhin kommt es innerhalb der Behörde zu Szenen, die laut Breyer das “Vertrauen in eine gerechte und rechtsstaatliche Polizei” erschüttern würden: “Das Landeskriminalamt soll […] die ermittelnden Beamte mit allen Mitteln daran gehindert haben, diese in der Verfahrensakte vollständig zu protokollieren und vor Gericht zu bezeugen. Der Leiter des Rechtsreferats der Polizeiabteilung des Innenministeriums soll das Strafgericht in die Irre geführt haben. Die hochverdienten Kriminalbeamten, die das nicht hinnehmen wollten, sind massiv unter Druck gesetzt und schließlich gegen ihren Willen umgesetzt worden. Einer von ihnen erstattete Strafanzeige und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Verantwortlichen – erfolglos. Der heutige Landespolizeidirektor Ralf Höhs, der selbst Gegenstand der Vorwürfe war, versuchte einen der Ermittler für psychisch dienstunfähig erklären zu lassen” (https://www.patrick-breyer.de/?p=570698). Nach mehr als einem Jahr hat der Parlamentarische Untersuchungssausschuss zu unglaubwürdigen Gedächtnislücken, Aussageverweigerungen, bizarren Verkleidungen, dem Streit über das Verwenden von Aussagen aus nicht-öffentlichen Anhörungen, der Diskussion um die als “Maulkorb” bezeichnete eingeschränkte Aussagegenehmigung etc. geführt, die Vorwürfe aber nicht hinreichend aufgeklärt. Selbst der frühere Landespolizeidirektor gab an, die polizeiinternen Ermittlungen seien auf eine “Mauer des Schweigens” gestoßen (https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Rocker-Ausschuss-Neue-Vorwuerfe-und-ein-schwieriger-Zeuge,rocker884.html), einen Eindruck, den so manches Untersuchungsausschussmitglied auch von den zermürbenden Versuchen der Wahrheitsfindung in diesem Gremium bekam. Der CDU-Politiker und PUA-Vorsitzende Claus Christian Claussen kommt dennoch zu der verharmlosenden Einschätzung, es habe “den einen oder anderen Fehler gegeben”, Polizei und Staatsanwaltschaft seien aber “keine schwerwiegenden Vorwürfe zu machen” (https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/CDU-Mann-Claussen-sieht-in-Rockeraffaere-Vorwuerfe-teils-entkraeftet).
Dass bei der Polizei im Zuge der Ermittlungen zur Aufklärung des Subway-Überfalls tatsächlich schwerwiegende Pannen passiert sind, bzw. dass diese vermeintlichen Pannen eventuell auch intendiert waren und dem Schutz von V-Personen dienten, soll im Kapitel Subway aufgezeigt werden.